Wohnen am Luisenplatz
Behutsame Stadterneuerung
In der Nachkriegszeit will der Berliner Senat neuen, modernen Wohnraum schaffen. Doch eine Generation später stößt dieses Anliegen an seine Grenzen.
Mehr als jedes andere Projekt steht die Internationale Bauausstellung Interbau 1957 für die moderne Stadterneuerung in West-Berlin. Ein komplett neues Viertel ersetzt die zerstörten Gründerzeitgebäude im Hansaviertel.
Seit den Siebzigerjahren wächst jedoch der Widerstand gegen Großbauprojekte; viele Sanierungsmaßnahmen werden von den Bürgern infrage gestellt. In der Internationalen Bauausstellung (IBA) 1987 findet dieser gesellschaftliche Wandel seinen Ausdruck. Statt neue Siedlungen zu entwerfen, sanieren Architekten Altbauten und schließen Baulücken, die der Zweite Weltkrieg im Stadtbild hinterlassen hat.
Zu den IBA-Projekten zählt unter anderem auch die Neugestaltung des Luisenplatzes im Berliner Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf. Das ist eine besondere Herausforderung, denn der Platz liegt in unmittelbarer Nachbarschaft des Charlottenburger Schlosses. Neben dem ehrwürdigen historischen Schloss sollen die neuen Wohngebäude nicht wie Fremdkörper wirken, dessen Baustil aber auch nicht nachahmen.
Referenz an den Klassizismus
Bei einem Ideenwettbewerb des Senats setzt sich der Gesamtentwurf der Architektengruppe Andreas Brandt, Rudolf Böttcher und Yadegar Asisi durch. Er besteht aus vier unterschiedlichen Teilprojekten. Brandt und Böttcher selbst planen mit Horst Hielscher und Georg-Peter Mügge das Wohngebäude am Charlottenburger Ufer 1. Es fügt sich in die vorhandene Blockrandbebauung ein und besteht aus sieben Abschnitten mit jeweils separatem Eingang.
Die sieben Abschnitte sehen auf den ersten Blick gleich aus, doch die Architekten verleihen ihnen – insbesondere den Hauseingängen – jeweils eine individuelle Note. Gemein sind allen Teilbereichen des Wohngebäudes klassizistische Elemente wie hochformatige Fenster und kleine Säulen in der Fassade – eine Hommage an den 1824/25 erbauten Neuen Pavillon von Karl Friedrich Schinkel auf der anderen Seite der Schlossbrücke.
Klassizistische Elemente greift auch das Gebäude Eosanderstraße 21 auf. Hier haben Brandt und Böttcher die Fassade der Obergeschosse symmetrisch mit hochformatigen Fenstern gestaltet. Die Geschäfte im Erdgeschoss sind durch Kolonnaden gegliedert. So steht das Gebäude in einem Dialog mit den historischen Anlagen des Charlottenburger Schlosses und trennt gleichzeitig den Luisenplatz vom Straßenverkehr ab.
Anklänge an die klassische Moderne
Der Blickpunkt am Luisenplatz ist Hans Kollhoffs Wohngebäude mit der markanten Klinker- und Glasfassade an der Otto-Suhr-Allee 144. Kollhoff spielt mit Elementen aus der Architekturgeschichte, aber er bezieht sich nicht auf Barock oder Klassizismus, sondern auf die Baumeister der klassischen Moderne: Die blaubunten Klinker erinnern an das Werk von Erich Mendelsohn, die über vier Geschosse verlaufende Glasfassade an Walter Gropius und die weißen Flugdächer an Le Corbusier.
Allerdings ordnet sich auch Kollhoffs Bau in das Ensemble am Luisenplatz ein. Er nimmt nicht nur die Höhe umstehender Gebäude auf, sondern deckt mit seinen zwei Zeilen eine bereits bestehende Brandmauer ab. Auch mit der Glasfassade strebte der Architekt eine Integration in die urbane Umgebung an. So soll sie „städtebaulich zwischen der Privatheit des Wohnhauses und dem öffentlichen Charakter von Luisenplatz und Schloß“ vermitteln.
Grand Tour der Moderne
Zum 100-jährigen Bauhaus-Jubiläum im Jahr 2019 entwickelte der Bauhausverbund eine Grand Tour der Moderne, die Architekturfans durch ganz Deutschland führt. Die IBA Gebäude am Luisenplatz sind Bestandteil dieser Themenroute.
Die weiteren Berliner Standorte als Grand Tour der Berliner Moderne:
Grand Tour der Berliner Moderne
Unsere Tipps rund um die Wohnbebauung am Luisenplatz
In unmittelbarer Nähe des Luisenplatzes finden Sie das Schloss Charlottenburg mit seinem prächtigen Barockgarten und dem Neuen Pavillon. Weitere Bauwerke der Internationalen Bauausstellung (IBA) können Sie in Alt-Tegel, in der Ritterstraße, am Fraenkelufer und in der Charlottenstraße entdecken.
Praktische Infos von visitBerlin
Die Wohnbebauung am Luisenplatz erreichen Sie mit der U-Bahn-Linie 7 an der Haltestelle Richard-Wagner-Platz. Für die IBA-Bauten in Alt-Tegel nehmen Sie die U-Bahn-Linie 6 bis zur gleichnamigen Endhaltestelle; für die Wohnanlage Ritterstraße Nord und den Wohnturm in der Charlottenstraße die U-Bahn-Linie 6 bis zur Haltestelle Kochstraße/Checkpoint Charlie; für die Wohnbebauung am Fraenkelufer die U-Bahn-Linie 8 bis zur Haltestelle Kottbusser Tor.
Um die Stadt zu erkunden, empfehlen wir für den öffentlichen Nahverkehr die Berlin Welcome Card.
Eine Bitte in eigener Sache
Die IBA Gebäude sind ein ausgewiesenes Flächendenkmal. Gleichzeitig ist sie aber auch das Zuhause vieler Menschen, die hier wohnen und arbeiten. Diese pflegen das Denkmal und helfen, die Erinnerung zu bewahren.
Bitte berücksichtigen Sie dies bei Ihrer Besichtigung. Vielen Dank!