Wohnen am Fraenkelufer
IBA 87 - Neue Wohnqualität in Kreuzberg
Marode Altbauten und besetzte Häuser an der Berliner Mauer: Das Fraenkelufer in Kreuzberg ist in den 1970er Jahren ein Problemviertel.
Für sanierungsbedürftige Altbauten haben die Architekten der Moderne meist eine Lösung: Abriss und Neubau. Exemplarisch steht dafür 1957 die Bauausstellung Interbau 57, bei der das moderne Hansaviertel entsteht und die im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigten Gründerzeithäuser ersetzt.
Doch Mitte der Siebzigerjahre ändert sich gesellschaftliche Haltung. Viele Berliner lehnen Flächensanierungen ab, protestieren gegen Leerstand und steigende Mieten. Sie wollen die Altbausubstanz bewahren. In Kreuzberg werden leerstehende Häuser besetzt, alternative Wohnprojekte entstehen.
Bürgerproteste führen zum Umdenken
Die West-Berliner Landesregierung verzichtet auf einen großflächigen Abriss. Den Rahmen für diese Neuausrichtung bildet erneut eine Internationale Bauausstellung: die IBA 87. Ihr Ziel ist eine behutsame Stadterneuerung. Mit verschiedenen Bauprojekten will der Senat alte Häuser sanieren und Baulücken mit neuen Gebäuden schließen, die in ihre Umgebung passen. Eines dieser Projekte realisiert das Architektenehepaar Inken und Hinrich Baller 1984/85 am Fraenkelufer.
Räume mit Kurven und ohne rechten Winkel
Die Scharoun-Schüler Inken und Hinrich Baller entwerfen Wohngebäude, die sofort ins Auge stechen. Das gilt vor allem für die sechs Neubauten am Fraenkelufer 26, 38, 38ABC und 44. Die beiden Torhäuser Nr. 38 und 44 sehen fast identisch aus. Die eckig vorstehenden Balkone und spitzen Dachgauben lassen die Fassaden neoexpressionistisch erscheinen. Sie erinnern an Werke des katalanischen Baumeisters Antoni Gaudì. Die schrägen Stützpfeiler erzeugen Dynamik, sind aber weit mehr als Schmuck, denn ihre Ausrichtung dient der Gebäudestatik.
Besonders markant ist das Gebäude Nr. 26, dessen hochaufragender Turm spitz in die Kreuzung zur Admiralstraße hineinragt. Die Architekten gestalten nicht nur die Fassaden, sondern auch das Innenleben ihrer Neubauten expressiv. Die Wohnungen haben keine rechten Winkel, teilweise sind die Wände kurvig. Inken und Hinrich Baller entwerfen komplexe Grundrisse, die zur Auseinandersetzung mit dem Raum einladen. Das Ziel sind nichtstandardisierte Neubauten, die „dem Wohngefühl im Altbau nahekommen“.
Trotz der ungewöhnlichen Gestaltung fügen sich die Gebäude nahtlos in die historische Blockrandbebauung am Fraenkelufer ein. Sie nehmen die Geschosshöhe der Altbauten auf. Aber die zum Innenhof liegenden Wohnungen der Torhäuser haben statt 3,60 Meter nur eine Raumhöhe von 2,80 Meter – dadurch können die Architekten eine fünfte Etage mit zusätzlichem Wohnraum kreieren. Die drei Häuser von Nummer 38ABC decken eine bestehende Brandmauer des Innenhofs ab.
Inken und Hinrich Baller schließen nicht nur Baulücken, sondern planen auch die Sanierung der bestehenden Altbauten am Fraenkelufer 32–36 und 40–42.
Gut gestaltetes Umfeld
Ein wichtiges Ziel der Neugestaltung am Fraenkelufer Mitte der Achtzigerjahre ist die Verbesserung der Wohnqualität. Dies zeigt sich besonders an der Gestaltung des Innenhofs. Die Architekten lassen Bäume und einen Teich so anlegen, dass der Eindruck einer natürlich gewachsenen Landschaft entsteht. Parkplätze sind vorhanden, aber unter dem Bewuchs gut versteckt. Leicht erkennbar sind dagegen die Spielflächen für Kinder. Die Privatgärten der Erdgeschosswohnungen trennen die Architekten vom Gemeinschaftsbereich durch Bepflanzungen und nicht durch Zäune ab.
Unsere Tipps rund um das Fraenkelufer
Wenn Sie am Landwehrkanal entlang einen Kilometer nach Osten spazieren, finden Sie mit dem ehemaligen Abspannwerk Kottbusser Ufer eine „Kathedrale der Elektrizität“, die ebenfalls durch expressionistische Elemente besticht. Ein ganz besonderer Berliner Wochenmarkt lädt dienstags und freitags am Maybachufer zum Stöbern und Geniessen ein.
Praktische Infos von visitBerlin
Die Wohnbebauung am Fraenkelufer erreichen Sie mit der U-Bahn-Linie 8 bis zur Haltestelle Kottbusser Tor. Weitere Bauwerke der Internationalen Bauausstellung IBA 87 können Sie in Alt-Tegel, in der Ritterstraße, in der Charlottenstraße und am Luisenplatz entdecken:
- Für die IBA-Bauten in Alt-Tegel nehmen Sie die U-Bahn-Linie 6 bis zur gleichnamigen Endhaltestelle;
- für die Wohnanlage Ritterstraße Nord und den Wohnturm in der Charlottenstraße die U-Bahn-Linie 6 bis zur Haltestelle Kochstraße/Checkpoint Charlie;
- für die Wohnbebauung am Luisenplatz die U-Bahn-Linie 7 bis zur Haltestelle Richard-Wagner-Platz.
Um die Stadt zu erkunden, empfehlen wir für den öffentlichen Nahverkehr die Berlin Welcome Card.