Waldsiedlung Zehlendorf – Onkel Toms Hütte
Gemeinnütziger Wohnungsbau trifft auf Villenviertel
Die Waldsiedlung Zehlendorf, auch Onkel Toms Hütte genannt, entsteht zwischen 1926 und 1931 tief im Südwesten Berlins. Sie zählt zu den Hauptwerken von Bruno Taut, dem berühmten Archtekten der Berliner Moderne, und ist nicht nur eine der bekanntesten, sondern mit rund 1.900 Wohneinheiten auch eine der größten und attraktivsten Siedlungen der 1920er Jahre in Deutschland.
Die Waldsiedlung Zehlendorf, so der offizielle Name, liegt zu beiden Seiten der Argentinischen Allee im Bezirk Steglitz-Zehlendorf. Bekannt ist sie unter dem Namen Onkel Toms Hütte, so hieß damals ein nahegelegenes Ausflugslokal und bis heute der nahegelegene U-Bahnhof.
Die Siedlung entsteht zwischen 1926 und 1932 im Auftrag der Gemeinnützigen Heimstätten-, Spar- und Bau-Aktiengesellschaft (GEHAG), deren Chefarchitekt Bruno Taut zuvor schon ein anderes Werk der Berliner Moderne, die Hufeisensiedlung,entwirft. Für die Waldsiedlung Zehlendorf steht ihm auf dem unbebauten Gelände am Rande Berlins mehr Spielraum zur Verfügung - ganz anders als bei der zeitgleich entstehenden Wohnstadt Carl Legien.
Hohe Wohnqualität
Vor dem Ersten Weltkrieg verantwortet Taut bereits die Entwürfe zur Gartenstadt Falkenberg in Grünau („Tuschkastensiedlung“). In das neue Häuserensemble in Zehlendorf fließen verschiedene dieser Ideen ein, inspiriert durch den Baumbestand und die Beschaffenheit des Areals. Dabei spielen die Naturverbundenheit der Gartenstadt-Bewegung ebenso eine Rolle wie die städtebaulichen Pläne des gemeinnützigen Wohnungsbaus.
Neben Taut, der die Gesamtplanung übernimmt, arbeiten zwei weitere namhafte Architekten der Berliner Moderne an dem Projekt im Südwesten Berlins: Hugo Häring, der bei der Großsiedlung Siemensstadt schon mit von der Partie war, und Otto Rudolf Salvisberg, der an den Entwürfen zur Weißen Stadt beteiligt ist - alles damals enstehende Wohnsiedlungen, die heute zum UNESCO-Welterbe zählen.
Insgesamt umfasst Onkel Toms Hütte über 1.900 Wohnungen, davon etwa 1.100 Geschosswohnungen und 800 Einfamilienhäuser. Platz genug für 15.000 Menschen, ein Fortschritt im Kampf gegen den Berliner Wohnraummangel.
Die Wohnflächen der Einfamilienhäuser sind für damalige Verhältnisse großzügig bemessen: 562 von ihnen weisen eine Fläche von 85 Quadratmetern auf, 247 Häuser haben je eine Fläche von 104 Quadratmeter. Alle verfügen über einen Mietergarten und bieten bis heute hohe Lebensqualität.
Farbe in den Alltag bringen
Von Bruno Taut stammen die Wohnblocks mit zwei Geschossen im Norden der Siedlung. Die Wohnungen sind kleiner als die Einfamilienhäuser im südlichen Teil. Durch unterschiedliche Farbflächen an den Fassaden belebt der Architekt das Straßenbild.
Taut hat dieses Gestaltungsmittel erstmals in der Gartenstadt Falkenberg eingesetzt: Es ist günstig, effektiv und vermittelt Lebensfreude. Die Waldsiedlung wird sein farbenprächtigster Entwurf seit 1913. Intensive Grün-, Gelb- und Blautöne wechseln sich ab. Die Zehlendorfer titulieren die Wohnanlage bald schon als „Papageiensiedlung“ - und das ist nicht immer positiv gemeint.
Die Architekten Hugo Häring und Otto Rudolf Salvisberg konzipieren die Reihenhäuser. Obwohl beide sonst einen anderen ästhetischen Stil verfolgen, passen sie sich hier in ihren Entwürfen stärker denen des GEHAG-Chefarchitekten an.
Dennoch geben sie ihren Bauten eine eigene Note. Salvisberg markiert die Grenze zwischen zwei Reihenhäusern durch eine Schicht von Ziegeln. Häring setzt an seinen lindgrün gestrichenen Häusern farbige Akzente durch rote Dachüberstände.
Die Arbeiten an der Siedlung sind bereits weit fortgeschritten, als Bruno Taut 1930 noch eine lange Hauszeile entlang der Argentinischen Allee entwirft. Der Block aus 31 Hauseinheiten geht aufgrund seiner Ausdehnung von 400 Metern als Peitschenknall in die Geschichte der Berliner Moderne ein. Die lange Hauszeile, die sich in ihrer Biegung dem Straßenverlauf anpasst, erinnert an parallel entstandene Entwürfe für die Großsiedlung Siemensstadt und die „Weiße Stadt“.
Gartenstadt mit Anschluss
Die drei Architekten achten darauf, in ihren Entwürfen den Baumbestand aus Kiefern einzubeziehen. Immer wieder öffnen sich die Häuserreihen, um den Blick auf die Bäume in den Mietergärten freizugeben. Durch die Farbgebung der Fassaden entstehen interessante Kontraste zum Grün in der Umgebung. Den Außenraum gestalten die Landschaftsarchitekten Leberecht Migge und Martha Willings-Göhre.
Doch die Wohnanlage soll ihren Bewohner:innen nicht nur das ländliche Idyll einer Gartenstadt bieten. 1929 erfolgt mit der Eröffnung der U-Bahn-Station Onkel Toms Hütte die Verkehrsanbindung an das Zentrum Berlins. Den ursprünglich von Alfred Grenander entworfenen Bahnhof erweitert Otto Rudolf Salvisberg 1931 bis 1932 durch die markanten Ladenpassagen an den Längsseiten.
An ihren Dächern sollt ihr sie erkennen
Die neue Siedlung ist den Traditionalist:innen ein Dorn im Auge: Mit bunten Farben und flachen Pultdächern weichen die Häuser vom Althergebrachten ab. Hinzu kommen soziale Spannungen: In dem Villenvorort wehren sich die gut betuchten Bürger gegen den Zuzug ärmerer Bevölkerungsschichten.
Die Gemeinnützige AG für Angestellten-Heimstätten (GAGFAH) steht der konservativen Zentrumspartei nahe und gibt Ende der 1920er Jahre am Rand der Siedlung Onkel Toms Hütte ihr eigenes Projekt in Auftrag: die Versuchssiedlung Am Fischtal. Der Heimatstil dieses Entwurfs steht mit seinen traditionellen Satteldächern in einem starken Kontrast mit der Architektur der Waldsiedlung Zehlendorf. Diese Gegenüberstellung wird später als Zehlendorfer Dächerkrieg in die Architekturgeschichte eingehen.
Seit 1995 Denkmalschutz für Onkel Toms Hütte
Den Zweiten Weltkrieg übersteht die Siedlung weitgehend unbeschadet. In den nachfolgenden Jahrzehnten kommt es – wie auch in anderen Wohnanlagen der Berliner Moderne – zu Umbauten, die das architektonische Gesamtbild verändern. In den 1980er Jahren werden Wiederherstellungs- und Sanierungsmaßnahmen initiiert.
Unsere Tipps rund um die Waldsiedlung
Unweit der Waldsiedlung Zehlendorf, also Onkel Toms Hütte, lässt sich noch mehr Berliner Moderne erleben. Das Brücke-Museum, das Kunsthaus Dahlem und Haus am Waldsee erreichen Sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Die Seenlandschaft der Krummen Lanke, Riemeisterfenn und Grunewaldsee, aber auch die Domäne Dahlem und das Alliierten-Museum sind einen Besuch wert.
Umfassende Informationen zu den Bauten der Berliner Moderne und ihrer Geschichte finden Sie auf unserer Webseite:
Zur Architektur der Berliner Moderne
Praktische Infos von visitBerlin
Zur Siedlung Onkel Toms Hütte kommen Sie von der Innenstadt aus am Besten mit der U-Bahnlinie U3 bis zum barrierefreien Bahnhof Onkel Toms Hütte.
Um die Stadt zu erkunden, empfehlen wir für den öffentlichen Nahverkehr die Berlin WelcomeCard.
Eine Bitte in eigener Sache
Die Siedlung Onkel Toms Hütte ist ein ausgewiesenes Flächendenkmal. Gleichzeitig ist sie aber auch das Zuhause vieler Menschen, die hier wohnen und arbeiten. Diese pflegen das Denkmal und helfen, die Erinnerung zu bewahren.
Bitte berücksichtigen Sie dies bei Ihrer Besichtigung. Vielen Dank!