Macht euren Herbstspaziergang durch Berlin zum Ausstellungsbesuch. Denn Berlin ist Hauptstadt der Skulpturen, die ganze Stadt ist ein Museum. Von den Statuen aus der Kaiserzeit, herrlichen Fassaden, beeindruckenden Mahnmalen und Gedenkstätten bis hin zu provokative Skulpturen bekannter Künstlerinnen und Künstler, könnt ihr in Berlin alles entdecken. Wir stellen euch Top 11 zeitgenössische Kunstwerke im öffentlichen Raum vor und geben Tipps für einen Herbst-Spaziergang. Viel Spaß beim Flanieren durch die Stadt!
Tipp 1: Stein, Schere, Papier
Jedes Kind kennt das Spiel "Stein, Schere, Papier", das hier an der Oberbaumbrücke künstlerisch einen der ehemaligen innerstädtischen Grenzübergänge zwischen Ost- und Westberlin markiert. Im sechs Sekunden Rhythmus wechseln die beiden runden Neon-Leuchtanzeigen das Handzeichen. Ein Symbol für die Entscheidungswillkür der möglichen Ein-und Ausreise. Hin und wieder wechseln beide Anzeigen auf die ausgestreckte Hand für „Papier“, was ein wenig so wirkt wie das Angebot, sich die Hände zu reichen. Von 1971 bis 1989 als Übergang für Privatpersonen genutzt. Am besten seht ihr die Zeichen, wenn ihr bei Dunkelheit über die Oberbaumbrücke geht.
Wo: Oberbaumbrücke
Künstler: Thorsten Goldberg
Spaziergang: Entlang der Spree, zum Beispiel vorbei an der East Side Gallery
Tipp 2: Molecule Men
Wenn ihr den Spaziergang entlang der East Side Wall und über die Oberbaumbrücke fortsetzen wollt, dann schlendert doch weiter in Richtung Arena Berlin und Badeschiff. Hier habt ihr eine gute Aussicht auf die Molecule Men, eine der Skulpturen im öffentlichen Raum, die längst zur Ikone geworden ist. Die drei 30 Meter hohen menschlichen Figuren stehen genau dort wo Friedrichshain, Kreuzberg und Treptow zusammentreffen. Außerdem will Jonathan Borofsy mit seinem Molecule Men zeigen, „dass sowohl der Mensch als auch die Moleküle in einer Welt der Wahrscheinlichkeit existieren und das Ziel aller kreativen und geistigen Traditionen ist, Ganzheit und Einheit innerhalb der Welt zu finden.“
Wo: An den Treptowers 1, Oberbaumbrücke
Künstler: Jonathan Borofsky
Spaziergang: Weiter an der Spree in Richtung Treptower Park. Hier findet ihr mit dem sowjetischen Ehrenmal ein weiteres gigantisches Werk.
Tipp 3: Sophie-Gips-Höfe: GG. Art.5
Der Artikel 5 des Grundgesetzes sichert die Presse-, Informations- und Meinungsfreiheit. In altdeutschen Lettern hat Künstler Thomas Locher dieses im Hof 1 der Sophie-Gips-Höfe an der Fassade des ARD-Hauptstadtstudios verewigt. Neben dieser Arbeit von Thomas Locher findet ihr in dem Komplex rund um die ehemalige Nähmaschinenfabrik zwischen Sophienstraße und Gipsstraße noch zahlreiche weitere Kunstwerke im öffentlichen Raum. Etwa die am Abend farbig beleuchtenden Durchgänge von Gunda Förster im Hof 2. Genießt die entspannte und ruhige Atmosphäre des liebevoll gestalteten Komplexes unweit der Hackeschen Höfe.
Wo: Hof 1 der Sophie-Gips-Höfe
Künstler: Thomas Locher
Spaziergang: Lasst euch für den Besuch der Sophie-Gips-Höfe ruhig ein wenig Zeit, genießt einen Kaffee und lasst die Atmosphäre auf euch wirken. Das für den Ausbau der Höfe verantwortliche Ehepaar Hoffmann hat übrigens in den Dachgeschossen von Hof 2 eine Galerie für die private Kunstsammlung eingerichtet. Diese könnt ihr samstags nach telefonischer Anmeldung besuchen (030-28 499 120).
Tipp 4: Berlin Junction
Nicht ganz unumstritten ist diese gewaltige Skulptur aus zwei Stahlplatten, mit der Richard Serra den Raum an sich fühlbar machen möchte. So steht der enge, bedrohliche Raum zwischen den beiden gekrümmten, geschwungenen Platten. Geht einmal hindurch, es fühlt sich fast schon bedrohlich und bedrückend an. Im Gegensatz dazu steht die leere Weite des Platzes vor der Philharmonie. Von hier aus starteten die Nationalsozialisten ihr Euthanasie-Programm. Umstritten ist die Skulptur auch deshalb, weil viele ein Mahnmal als passender angesehen hätten als die rohe Monumentalität der Stahlplatten. Inzwischen findet ihr ganz in der Nähe auch einen Gedenk- und Informationsort für die Opfer der nationalsozialistischen »Euthanasie«-Morde.
Wo: vor der Philharmonie, Herbert-von-Karajan-Straße
Künstler: Richard Serra
Spaziergang: Lauft von hier über die Betonflächen und Treppen des Kulturforums. Auch der Tiergarten ist nicht weit. Hier steht ein weiteres Mahnmal: Das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen.
Tipp 5: Windspiegelwand
Wenn ihr gerade am Kulturforum unterwegs seid, dann schlendert doch mal zum Landwehrkanal und dann am Reichpietschufer in Richtung Potsdamer Platz. Am GIZ-Gebäude zeigt Olafur Eliason mit seiner Windspiegelwand wie in fast schon spielerischer Einfachheit ein wenig Leben auf graue Fassaden gezaubert werden kann. Die Spiegelplättchen sind so installiert, dass sie dem Verlauf von Wänden und Treppen im Gebäude folgen, sich aber auf ihrer Position leicht vom Wind bewegen lassen. So spiegeln sich je nach Wind und Wetter, Himmel, Wolken, Bäume und Umgebung in den reflektierenden Plättchen. Eine poetische Ergänzung zur urbanen Landschaft.
Wo: drei Teilfassaden des GIZ (Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit), Rückseite des Reichpietschufer 20
Künstler: Olafur Eliasson
Spaziergang: In wenigen Minuten seid ihr von hier im Gleisdreieckpark. Oder ihr lauft an Kulturforum, der Philharmonie und der Serra-Skulptur "Berlin Junction" vorbei in den Tiergarten.
Tipp 6: Hand mit Uhr
Als beliebter Treffpunkt bei den Schüler*innen des Gymnasiums Tiergarten hat die bronzene Hand mit Uhr schon so einige kosmetische Verschönerungen erhalten. Nagellack etwas oder auch Graffiti-Tags. Erstmals 1975 aufgestellt musste die Hand mit Uhr dennoch erst einmal saniert werden. Brav erinnert die Digitalanzeige oben am angeschnittenen Handgelenk die Schüler*innen wann es Zeit ist, zurück in den Unterricht zu gehen – und gleichzeitig gibt sie uns zu denken, wie sie da sorgsam den orangen Quader greift.
Welche Chancen und Möglichkeiten ergreifen wir, während die Zeit vergeht? Die Antwort liefern Depeche Mode. Everything Counts lautet der Titel des Songs, in dessem Videoclip die Hand mit Uhr eine kleine Rolle spielt. Für den Künstler, Joachim Schmettau, war die Hand mit Uhr die erste Skulptur im öffentlichen Raum. Sein bekanntestes Werk ist der Weltkugelbrunnen am Breitscheidplatz.
Wo: Altonaer Straße / Lessingstraße
Künstler: Joachim Schmettau
Spaziergang: Entweder könnt ihr die Altonaer Straße in Richtung Spree hinunterlaufen oder in der entgegengesetzten Richtung Englischen Garten, Schloss Bellevue, Siegessäule und Großer Tiergarten spazieren.
Tipp 7: Turm und Mauer
Unweit der Jannowitzbrücke erstreckt sich über eine Länge von 100 Metern die Backsteinmauer von Peter Kirkeby. Sie ist eine Art Abgrenzung zwischen Heizkraftwerk und Spree, erlaubt durch die vielen Öffnungen im unteren Bereich aber auch freie Sicht und lädt dazu ein, sich im Slalom zwischen beiden Bereichen hin- und her zubewegen. Als ausgebildeterer Naturwissenschaftler widmete sich Kirkeby lange Zeit der Malerei, beteiligt sich in den 60er Jahren auch an Happenings und arbeitet mit Künstlern wie Joseph Beuys oder Nam June Paik. In seinen Klinkerbau-Skulpturen zitiert er architektonische Besonderheiten aus der ganzen Welt.
Wo: Köpenickerstr. 60/Michaelkirchstr
Künstler: Per Kirkeby
Spaziergang: Auch von hier gelangt ihr schnell an die Spree. Wenn ihr über die Jannowitzbrücke und dann entlang am Rolandufer in die Innenstadt spaziert, seid ihr in einer halben Stunde am Berliner Dom.
Tipp 8: Botschaften. Die Berlinische Botschaft. Museen- und Museumsbotschaften.
Für die Botschaften hat Silvia Klara Breitwieser insgesamt 30 Museen der Gegenwart in Ost und West um ihre Einschätzung zur Lage und Zukunft der Kunst gebeten. Folgt ihr den Botschaften führen euch diese rund um die Berlinische Galerie bis zum Jüdischen Museum. Auf der Vorderseite der Schilder lest ihr der Botschaft, auf der Rückseite, wer diese formuliert hat. Tipp: Auch im Bayerichen Viertel findet ihr an den Masten der Straßenbeleuchtung angebrachte Botschaften. Mit diesen "Orten des Erinnerns" von Renata Stih und Frieder Schnock wird der Diskriminierung und Entrechtung der Berliner Juden gedacht.
Wo: Alte Jakobstraße, Am Berlin Museum, Lindenstraße
Künstlerin: Silvia Klara Breitwieser
Spaziergang: Einfach den Botschaften folgen.
Tipp 9: Zwei Beton-Cadillacs in Form der Nackten Maja
Für diese Skulptur am äußeren westlichen Rand des Ku’damms soll der Künstler, Wolf Vostell sogar Morddrohungen bekommen haben. Tatsächlich waren die beiden in Stahlbeton gegossenen Cadillacs den meisten Berlinern verhasst. Ebenso wie der gesamte Skulpturenbouleverad, der 1987 zum 750-jährigen Bestehen der Stadt in Auftrag gegeben wurde. Sieben Kunstwerke und Skulpturen wurden mit dem Budget in Höhe von 1,8 Millionen Mark realisiert. Ursprünglich als temporäre Flaniermeile gedacht, sind die Werke heute ein Teil von Berlin, an den man sich trotz aller Proteste dann doch gewöhnt hat.
Wo: Rathenauplatz
Künstler: Wolf Vostell
Spaziergang: Lauft einfach den Ku’damm in Richtung Breitscheidplatz und haltet beim Schaufensterbummel die Augen nach weiteren Skulpturen offen.
Tipp 10: Structure
Ganz in der Nähe des Technikmuseum findet ihr "Structure" von Sol LeWitt. Wie viele Würfel seht ihr? Ehrlich gesagt haben wir sie nicht gezählt, aber wer ein wenig fit in Mathematik ist, kann dies bestimmt ganz schnell berechnen. Das Kunstwerk setzt sich aus fünf Mal fünf weiß lackierten Aluminiumwürfeln zusammen, die im Licht und Schattenspiel in verschiedenen Mustern ineinander aufgehen. Trotz nackter Geometrie also ein optischer Augenschmaus. Übrigens hat Sol LeWit seinen Würfel anhand der Baupläne für das Familiengericht konzipiert, vor dessen Fassade es steht.
Wo: Hallesches Ufer 62
Künstler: Sol LeWit
Spaziergang: Von hier aus seid ihr schnell auf dem Gelände des Technikmuseums und dem anschließenden Gleisdreieckpark.
Tipp 11: Pyramide auf dem TU-Gelände
Die Pyramide ist nur eines von mittlerweile insgesamt 80 Kunstwerken und Skulpturen, die ihr auf dem TU-Gelände besichtigen könnt. Nicht alle verstecken sich so gut wie dieses architektionische Klettergerüst neben dem Institut für Luft- und Raumfahrttechnik. Im Sommer sind alle Seiten von Grünpflanzen überwuchert. Bekanntestes Kunstwerk des Architekturbüros Haus Rucker & Co ist der Rahmenbau von 1977 für die documenta 6 in Kassel, der noch heute den Ausblick auf den Stadtpark Karlsaue umrahmt.
Wo: Nordgelände der TU/Straße des 17. Juni
Künstler: Hans-Rucker-Co
Spaziergang: Nehmt euch etwas Zeit, um einige der anderen Skulpturen auf dem Gelände zu entdecken, darunter die Ionischen Säule von Karl Friedrich Schinkel, die Arkadenhalle von Johann Heinrich Strack sowie Denkmäler für bedeutende Persönlichkeiten wie Werner von Siemens oder Franz Reuleaux.
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Es gibt viel zu erzählen. ABOUT BERLIN.
Tipp und Dankeschön: In dem Kunstführer „Marmor für alle. Zur Kunst im öffentlichen Raum in Berlin“ von Jörg Johnen findet ihr noch weitere Inspirationen für Spaziergänge zu Kunstwerken im öffentlichen Raum.