Geschichte der Homosexualität in Berlin
Wie die schwul-lesbische Szene in Berlin entsteht
Schon in den 1920er Jahren ist Berlin ein Sehnsuchtsort für Lesben und Schwule aus der ganzen Welt. Es gibt 170 Clubs, Bars und Kneipen für Homosexuelle sowie ein ausschweifendes Nachtleben und Szeneviertel. Doch es wird nicht nur gefeiert – es entstehen in Berlin auch mehrere politische Vereinigungen, die sich für Gleichberechtigung einsetzen. Nachdem die Nazis die Vielfalt jedoch zerstört haben, dauert es mehrere Jahrzehnte bis Berlin wieder zur Weltmetropole der LGBTQ+-Szene. wird. Hier erfahren Sie, wie Berlin im Laufe des 20. Jahrhunderts zur Hauptstadt der Homosexuellen wurde und die Szene weltweit angezogen hat – und bis heute noch anzieht.
1897
In Berlin entsteht das „Wissenschaftlich-humanitäre Komitee“ – die weltweit erste Homosexuellenvereinigung. Ihr Gründer ist der jüdische Arzt Magnus Hirschfeld. Sein Leitmotto: „Durch Wissenschaft zur Gerechtigkeit“. Seine Ziele: Befreiung von staatlicher Verfolgung und religiöser Verdammung, Kampf für Emanzipation und gesellschaftliche Anerkennung. Das „WhK“ bleibt mit seiner Lobbyarbeit, seinen Bündnissen und Aufklärungskampagnen bis Anfang der 1930er Jahre der politisch einflussreichste Verein.
An den historischen Gründungsort erinnert heute eine Stele gegenüber dem Rathaus Charlottenburg.
1900
Eines der ersten, durch eine Polizei-Razzia bekanntgewordenen Homosexuellenlokale Berlins gibt es bereits 1885 in der Jägerstraße. Um 1900 weiß Magnus Hirschfeld von sechs Bier-Lokalen als einschlägige Treffpunkte. 1910 sind es bereits doppelt so viele.
Für viele homosexuelle Männer waren öffentliche Parks wie der Tiergarten, Badeanstalten und diverse Verkehrsbahnhöfe traditionelle Treffpunkte. Dazu gehörten auch öffentliche Pissoirs, wegen ihrer Form in Berlin scherzhaft „Café Achteck“ genannt.
1903
Mit einem exklusiven „Bund für männliche Kultur“, der sich „Gemeinschaft der Eigenen“ nennt, entsteht eine weitere Homosexuellen-Vereinigung. Ihr Gründer, der Verleger und Anarchist Adolf Brand, beschwört eine eigene homoerotische Kulturgeschichte von der Antike bis zur Gegenwart. Die „Eigenen“ begreifen sich als kulturelle Avantgarde und beharren auf ihrer gesellschaftlich privilegierte Stellung als Männer. Das war nicht unumstritten.
Die Treffen der „Eigenen“ finden am Wohnort des Verlegers in Berlin-Friedrichshagen statt. In den 1920er Jahren finden Vortragsveranstaltungen im eigenen Vereinslokal im „Marinehaus“ am Köllnischen Park statt.
1905
Ab 1901 trifft sich eine literarische Künstler-Bohème in der Trattoria „Dalbelli“ am Schöneberger Ufer, wo sie Vortrags- und Kabarettabende veranstalten. Dort tragen u.a. Peter Hille und Else Lasker-Schüler, Erich Mühsam und John Henri Mackay Gedichte vor. Else Lasker Schüler schließt dort Freundschaft mit Magnus Hirschfeld. Mühsam und Mackay wirken fortan bei den „Eigenen“ mit. Die Lokal-Mitbesitzerin Alma Dalbelli führt das Lokal ab 1905 als „Como“ fort: Es wurde das erste homosexuelle „Wein-Lokal“ Berlins.
1910
Homosexuelle Frauen engagieren sich zur Durchsetzung ihrer Interessen vor allem in der bürgerlichen Frauenbewegung, um das Recht auf eigene Berufstätigkeit und Selbständigkeit, auf politisches Engagement und Wahlrecht zu erkämpfen. Zu ihnen gehören deutschlandweit bekannte Frauenrechtlerinnen, wie die die Berlinerinnen Helene Lange und Gertrud Bäumer, die als Frauen-Paar zusammenleben.
Einige frauenliebende Frauen, u.a. Johanna Elberskirchen und Toni Schwabe, entwickelen kämpferischen Mut, um auch in der Homosexuellenbewegung aktiv mitzuwirken und im „Wissenschaftlich-humanitären Komitee“ von Magnus Hirschfeld für Mitsprache einzutreten. Nach beharrlichem Bemühen werden Toni Schwabe 1910 und Johanna Elberskirchen 1914 in das „Obmänner-Kollegium“, dem WhK-Führungsgremium, gewählt.
1919
„Der Skorpion“, der erste lesbische Roman, erscheint 1919 aus der Feder der Berliner Schriftstellerin Elisabeth Weihrauch. Zudem kommt der erste Schwulen-Film mit dem Titel „Anders als die Anderen“ (Regie: Richard Oswald) auf die Kino-Leinwand.
Im Berliner Tiergarten eröffnet das „Institut für Sexualwissenschaft“, geleitet von Magnus Hirschfeld. Es ist Ärztehaus und zugleich ein Zentrum der homosexuellen Emanzipationsbewegung. Kongresse und Kampagnen zur Sexualreform machen es international bekannt. Mit seinen öffentlichen Aufklärungsabenden und seinem sexualhistorischen Museum ist es ein Publikumsmagnet.
Das Institut steht an der Stelle des heutigen „Haus der Kulturen der Welt“ im Tiergarten. Unweit entfernt befindet sich eine Stele, die daran erinnert.
1921
Mit den ab 1919 gegründeten „Freundschaftsverbänden“ und ihren Ortsgruppen in ganz Deutschland verbreitet sich die Homosexuellenbewegung rasant. 1923 kommt es unter Leitung des Verlegers Friedrich Radszuweit zu ihrer Vereinigung im „Bund für Menschenrecht“. Im selben Jahr etabliert er den ersten Buchladen für Homosexuelle.
In Berlin eröffnen etwa 40 Lokale als Treffpunkte für Männer – und zunehmend auch für Frauen. Ein „Internationaler Reiseführer“ wirbt 1921 für sie – der erste „Gay-Guide“. Einige Gastwirte schließen sich zusammen und unterstützen die Bewegung.
Zeitschriften für Homosexuelle werden an öffentlichen Kiosken und in den Lokalen erhältlich: u.a. „Die Freundschaft“ und die „Blätter für Menschenrecht“, „Die Freundin“ und „Frauenliebe“ oder „Das dritte Geschlecht“ für Transvestiten und transgeschlechtliche Menschen.
1922
Im Kampf gegen den §175 sind sich die konkurrierenden Homosexuellenverbände einig. Seit 1897 das „Wissenschaftlich-humanitäre Komitee“ (WhK) mit Petitionen an den Reichstag appelliert, das Sonderstrafrecht gegen homosexuelle Männer abzuschaffen. Über sechstausend namhafte Persönlichkeiten des Kaiserreichs haben die Petition unterzeichnet.
1922 schliessen sich die Homosexuellenverbände kurzzeitig zu einem Aktionsbündnis zusammen, um im Zuge einer Strafrechtsreform Gehör zu finden. Das WhK erarbeitet einen weitbeachteten „Gegenentwurf“.1928 beschliesst die zuständige Strafrechtskommission, den § 175 zu reformieren. Doch diese Hoffnung auf Befreiung zerstört die nachfolgende konservative Regierung schnell.
Damit bleibt das Berliner Polizeipräsidium am Alexanderplatz trotz seiner Duldungspolitik gegenüber der homosexuellen Szene eine Drohkulisse. Heute befindet sich dort das Einkaufszentrum „Alexa“, das mit seiner Größe und Farbe an das einstige „rote Ungeheuer“ erinnert.
1925
Etwa 80 Homosexuellen-Lokale gibt es mittlerweile in Berlin: Bier-Kaschemmen und Schnaps-Destillen, bürgerliche Restaurants, Wein- und Vereinslokale, Tanz-Dielen und Tanz-Paläste, Ball-Säle und mondäne Nachtbars. Großveranstaltungen finden ab 1925 u.a. in Festsälen in der Alten Jabob- und Kommandantenstraße oder im „Nationalhof“ in der Bülowstraße statt.
Ab 1926 prägt Lotte Hahm als Leiterin des „Damenclubs Violetta“ mit mehreren Hundert Mitfrauen große Teile der Lesbenbewegung und Vergnügungsszene. Sie vereinigt 1928 ihren Verein mit dem „Damenclub Monbijou“, bezieht auch Transvestiten und transgeschlechtliche Menschen mit ein, arbeitet mit dem „Bund für Menschrecht“ zusammen und findet ständig neue Veranstaltungsorte.
In den Homosexuellen-Zeitungen annoncieren zahlreiche Hotels und Pensionen, Schönheits- und Frisiersalons, Schneidereien und Foto-Ateliers, Vertrauensärzte und Rechtsanwälte, Leihbüchereien, Zigaretten- und Schuhläden bis hin zu einer Autovermietung, einem Reisebüro und einem Potenzmittel-Vertrieb.
1928
Ein Reiseführer für frauenliebende Frauen erscheint 1928: „Berlins lesbische Frauen“. Darin beschreibt die Schriftstellerin Ruth-Margarete Roellig 12 Lokale, die sich im lesbischen Hot-Spot in Schöneberg befinden. Darunter auch das beliebte Café, Tanz- und Unterhaltungslokal „Dorian Gray“.
Das „Dorian Gray“ bestand seit 1921 in der Bülowstraße 57. Allabendlich gibt es Künstler-Programm oder Life-Musik mit Schwof, dazu kommen Faschingsbälle und literarische Lesungen. Höhepunkte am Wochenende sind Varieté-Einlagen und Auftritte bekannter Szene-Stars, z.B. der Tänzerin Ilonka Stoyka. Ihr Porträt schafft es sogar auf die Titelseite der Lesbenzeitschrift „Liebende Frauen“.
Ende der 20er Jahre kommt der britische Autor Christopher Isherwood nach Berlin, um das freie, schwule Nachleben auszukosten. Während seiner Zeit in der Stadt entstehen seine „Berlin Stories“, die später die Vorlage für das Musical „Cabaret“ sind. Eine weitere Ikone des homosexuellen Berlins der 20er Jahre ist die Sängerin Claire Waldoff, die mit ihrer Lebensgefährtin ebenfalls in Berlin lebt.
1931
Das legendäre Berliner „Eldorado“ ist ein internationaler Touristenmagnet. 1924 in der Kantstraße eröffnet, zog es 1927 in die Lutherstraße und ab 1931 ins Eckhaus an der Motz- und Kalckreuthstraße. Verwirrend schöne Damen-Imitatoren sind die Hauptattraktion allabendlicher Tanzveranstaltungen. Sie werden zusammen mit Barkeeper „Daisy“ weit über Berlin und Deutschland hinaus zu populären Markenzeichen des „Eldorados“.
Als nach der konservativ-reaktionären Wende in der Regierungspolitik 1932 auch in Berlin erste Lokalverbote drohen, schliesst der Eldorado-Wirt sein Tanz-Cabaret. Er überließ es der rasant erstarkenden Berliner SA, die es für ihre Wahlkämpfe nutzt.
1933
Nach der Machtübernahme durch Nationalsozialisten und Konservative beginnt mit der „sittlich-nationalen Erneuerung“ auch der Kampf gegen vermeintlich „öffentliche Unsittlichkeit“. Im Mai 1933 erfolgt die Schließung und Plünderung von Hirschfelds „Institut für Sexualwissenschaft“. Bereits im März hate der neue Berliner Polizeichef 14 der bekanntesten Homosexuellen-Lokale schließen lassen. Lokale Polizeidirektionen erlassen in den Bezirken weitere Verbote. Auch die Homosexuellenverbände sehen, sich gezwungen ihre Arbeit einzustellen.
Von den Lokalschließungen sind u.a. die Inhaberinnen der Nachtbar für Lesben, „Mai & Igel“, betroffen, und die auch bei Heterosexuellen beliebten Faschingsbälle für Homosexuelle auf der Amüsiermeile „In den Zelten“ im Berliner Tiergarten sind mit sofortiger Wirkung verboten. Mit besonderer Gewalt trifft es das Künstler-Lokal „Chez Eugen“, gen. „Moses“: SA-Männer überfallen das Lokal und treiben die jüdischen Besitzer zur Flucht aus Deutschland.
1934-1945
Für Lesben und Schwule beginnt eine Zeit der Maskierung verbunden mit dem Rückzug in private Freundeskreise. Einige Bars konnten getarnt als „Künstler-Lokale“ noch weiter besucht werden, auch neue Lokale kamen trotz Polizei-Überwachung, Razzien und Verbote immer wieder hinzu und ermöglichten kurzzeitige Freiräume.
Homosexuelle Männer waren von Verfolgungsmaßnahmen besonders betroffen. Nach Gestapo-Razzien folgten ab 1934 ersten KZ-Einlieferungen. Mit der Verschärfung des Homosexuellenstrafrechts 1935 verdreifachten bis 1939 die Verurteilungszahlen. Sie führten zum Verlust an Freunden, Freiheit, Vermögen und Beruf, zu gesellschaftlicher Ausgrenzung, sozialer Ächtung und nicht zuletzt zur Traumatisierung des Intimlebens. Die während der Kriegszeit verstärkte Deportation in Konzentrationslager hat nur ein kleiner Teil der Verfolgten überleben können. Bislang sind die Namen von mehr als 400 Berliner Männern bekannt, die dem Terror gegen Homosexuelle zum Opfer fielen.
1946
Homosexuelle lassen sich nicht unterkriegen. Inmitten der Ruinenlandschaft und trotz der Nachkriegsnot, finden ab 1946 erste Tunten- und Lesbenbälle statt. Veranstalter sind schillernde Damenimitatoren mit Namen wie Mamita, Ramona und Cherie Hell. Im Jahr 1949 gibt‘s wieder über 20 einschlägige Herren- und 15 Damenlokale. Sie bieten Schutz und Geselligkeit, und sie vermitteln neue Lebensträume und die Lust auf neue Freiheit. Viele haben die verlockende Erinnerung an das Berlin der 1920er Jahre im Gepäck und sind zugleich mit Verfolgungserfahrungen aus der NS-Zeit belastet.
Auch eine Legende der LGBTQ+-Clubszene entsteht 1947 neu, das Travestie-Lokal „Eldorado“, das sich bis Ende der 1960er Jahre behaupten kann.
1950
1949 gründet sich eine Berliner Gruppe vom „Wissenschaftlich-humanitäre Komitee“, um Bestrebungen der ersten Homosexuellenbewegung wieder aufzunehmen. 1950 wird der Verein unter neuem Namen als „Berliner Gesellschaft für Reform des Sexualrechts“ zugelassen. Er wird Teil einer deutschlandweit sich etablierenden Homophilenbewegung. In Berlin kommt 1952 ein „Verein der Freunde“ und 1958 ein neuer „Bund für Menschenrecht“ hinzu, in dem sich auch Lotte Hahm – die Berliner Frontfrau lesbischer Emanzipation während der Weimarer Republik – engagiert.
Frauen sind an Vereinsgründungen der Homophilen zwar beteiligt, aber in der Minderzahl. Sie treffen sich privat und in Frauen-Lokalen, etwa bei Ida Fürstenau in Kreuzberg, oder in Gerda Kelch’s Cabaret in Schöneberg, 1958 gefolgt von einem Treffpunkt „Bei Kathi und Eva“ in einer Wäscherei in Schöneberg.
1960
Seit Mitte der der 1950er Jahre sind homosexuelle Treffpunkte bedroht von Razzien. Viele Männer werden erneut Opfer staatlicher Strafverfolgung nach dem weiterbestehenden, verschärften NS-Strafrecht gegen Homosexuelle. Das sektoren-geteilte Berlin verliert 1961 mit dem Mauerbau für ein weiteres Jahrzehnt seine Führungs- und Strahlkraft als „Vorposten der Freiheit“ für Homosexuelle.
Die Homosexuellen-Vereine lösen sich auf, aber die West-Berliner Lokal-Szene behauptet sich. Ihre Zahl steigt, 1966 gibt’s 28 Lokale. Männer treffen sich weiterhin in Elli’s Bier-Bar, oder gehen im „Kleist Casino“ und im „Trocadero“ tanzen. Das „Chez Nous“ wird zur Berliner Attraktion mit seinen Travestie-Shows. Für Frauen eröffnet Christel Rieseberg 1963 mit ihrer Freundin den „Club 10“ in Schöneberg, der als „Club de la femme“ und „Dinelo“ Bekanntheit erlangt, 1966 folgt in Charlottenburg eine intime Club-Bar namens „Inconnu“.
1970er
Eine neue Generation meldet sich lautstark mit neuem Freiheitsdrang. Als sog. „Rosa Radikale“ erfinden sie Homosexualität als politisches, antikapitalistisches Befreiungsversprechen neu. Rosa von Praunheim’s Film, „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation in der er lebt“ (1971), aktiviert zu vielen Vereinsgründungen. Es entsteht die Schwulen- und Lesbenbewegung.
In Berlin gründet sich 1971 die „Homosexuelle Aktion Westberlin“, aus der 1975 der feministische Aufbruch als „Lesbisches Aktionszentrum“ – und mit seiner Initiative zur Entdeckung und Bewahrung der Frauenliebe auch das Lesbenarchiv „Spinnboden“ – hervorgeht. 1978 eröffnet der schwule Buchladen „Prinz Eisenherz“. 1979 findet die erste „Gay Pride Parade“/CSD statt.
Auch Ost-Berlin wagt den Aufbruch: 1973 gründet sich die „Homosexuelle Interessensgemeinschaft“. Transvestit Charlotte von Mahlsdorf eröffnet ein Jahr später einen zur Legende werdenden Treffpunkt für Lesben und Schwule in ihrem Gründerzeitmuseum.
1980er
1985 eröffnen das Schwule Museum, gefolgt von der „Begine“, eine Frauenkneipe und alternatives Bewegungsprojekt. Beide gehören bis heute zu selbstverwalteten Orten. Während so autonome Freiräume entstehen, befördern andere Initiativen die Integration. Sie engagieren sich in Gewerkschaften, Parteien und Kirchen. Chöre, Sportvereine und Wandergruppen machen die Berliner Bewegungsszene vielfältig und lebendig.
1985 entsteht sich die Berliner Aids-Hilfe, die große Unterstützung erfährt und gewährt, und zu einem neuen Akteur in der Homosexuellenbewegung wird. 1993 beginnt mit der Operngala in der Deutschen Oper eine der erfolgreichsten Benefizveranstaltungen.
In Ost-Berlin emanzipieren sich Homosexuelle ab 1983 im Schutz der evangelischen Kirche. 1986 entsteht – kirchenfern – der „Sonntagsclub“ als kultureller Freiraum. Den gibt es auch heute noch.
1990er
Zur Premiere des ersten schwulen Spielfilms der DDR, „Coming Out“, öffnet sich am Abend des 9. November 1989 die Berliner Mauer.
Die CSD-Paraden werden in der wiedervereinigten Hauptstadt bunter, größer und vielfältiger, mit politischem Forderungskatalog und ausgelassener Feierlaune. – Von 1997 bis 2016 besteht mit dem „Transgenialen CSD“ auch eine Berlin-typische Alternative, bei dem politische Opposition im Vordergrund steht.
1997 feiert Berlin „100 Jahre Schwulenbewegung“ mit einer Ausstellung in der „Akademie der Künste“. Obwohl die Lesbenbewegung dabei kaum sichtbar wird, gibt es (noch) keine öffentlichen Proteste.
1999 erfolgt die schwul-lesbische Wiedervereinigung: Der Lesben- und Schwulenverband entsteht und erprobt ein neues Miteinander.
2000
Die 1992 begonnene, heißumstrittene Diskussion um die „Homo-Ehe“ wird 1999 zur öffentlich geführten gesellschaftlichen Debatte. Sie führt 2001 zu einer „eingetragenen Partnerschaft“, aus der 2017 eine ganz normale Ehe-Schließung wird. Ein Run auf die Berliner Standesämter beginnt.
Die Übernahme der Regenbogen-Farben und des Wortes Queer schaffen homopolitisch neue Bündnisse. Queer wird zum politischen Programm und zum neuen Label für die LSBTQ+ Bewegung. Die Rainbow Flags gehören zum Stadtbild, werben vor Geschäften und Lokalen in der Community und wehen zum alljährlichen CSD auf den Berliner Rathäusern.
2009 startet die Initiative „Berlin tritt ein für Selbstbestimmung und Akzeptanz sexueller Vielfalt“, mit dem der Berliner Senat aktiv für die Vielfalt und Gleichstellung der größten LSBTQ Community Deutschlands eintritt.
2017
Es gibt mittlerweile 150 Veranstaltungsorte für die LSBTIQ Community: Cafés, Restaurants, Bars und eine deutschlandweit einzigartige Club-Szene. Das Dienstleistungs-, Shoppings-, Vereins- und Amüsier-Angebot füllt ein eigenes Branchenbuch mit mehr als 1.000 Adressen.
Am 30. Juni verabschiedet der Bundestag einen Gesetzesentwurf des Bundesrates, der es homosexuellen Paaren erlaubt, die Ehe einzugehen.
Im September 2017 wird am Magnus-Hirschfeld-Ufer hinter dem Kanzleramt das vom Lesben- und Schwulenverband initiierte Denkmal für die weltweit erste homosexuelle Emanzipationsbewegung eingeweiht. Es zeigt sechs aufragende farbige Calla-Lilien – eine Pflanze, die weibliche und männliche Blüten zugleich enthält. Sie sind Sinnbild für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt und eine Metapher für eine selbstbewusst aufblühende Szene-Landschaft, wie sie bereits in den 1920er Jahren erdacht, erprobt und ermöglicht worden ist – als Berlin Vorbild und Sehnsuchtsort einer Welt-Hauptstadt der Homosexuellen schien.
Am 1. Oktober 2017 – ein Sonntag – heiraten die ersten homosexuellen Paare in Deutschland, unter ihnen der Grünen-Politiker Volker Beck, der seinem Lebenspartner in Berlin-Kreuzberg nach langem Kampf das Ja-Wort gibt.