Der biografische Nachlass von Eberhardt Brucks (1917-2008) wird im Schwulen Museum aufbewahrt und ab Oktober in einer Ausstellung präsentiert. Sie ermöglicht einen besonderen Einblick auf das Leben eines schwulen Mannes, das in bemerkenswerter Weise von Resilienz geprägt war: der Fähigkeit, schwierige Situationen oder Krisen zu bewältigen und gestärkt daraus hervorzugehen.
Die Sammlung Eberhardt Brucks ist der größte biografische Nachlass, der im Schwulen Museum archiviert ist.
Kurator:in neo seefried hat für diese Ausstellung einen neuen Blick auf die Objekte und Dokumente aus einem schwulen Leben im 20. Jahrhundert geworfen und sie mit zeitgenössischen künstlerischen Arbeiten in die queere Gegenwart in Bezug gesetzt.
Über Eberhardt Brucks
Eberhardt Brucks wurde 1917 in Berlin-Lichtenrade geboren und absolvierte von 1936 bis 1938 eine Ausbildung an der Textil- und Modeschule Berlin, wo er Kostüm- und Bühnenbildnerei studierte. Von da an war er sein Leben lang künstlerisch tätig. Ab 1938 wurde er durch die nationalsozialistische Regierung zum Arbeits- und Wehrdienst einberufen und war bis 1945 im Flak-Regiment 32 in Berlin-Schulzendorf stationiert.
1944 bis 1945 führte er eine Beziehung und Brieffreundschaft mit dem Soldaten Zdenek Bena aus dem Protektorat Böhmen und Mähren (heutiges Tschechien). Nach Kriegsende war er bis Oktober 1945 in Kriegsgefangenschaft. 1947 begann seine künstlerische Karriere mit ersten Ausstellungen und der Veröffentlichung von Federzeichnungen zu E.T.A. Hoffmann. Wegen einer Hepatitis hielt er sich von 1947 bis 1948 in Lugano auf, wo er Kontakte zur Züricher Homosexuellenorganisation „Der Kreis“ knüpfte.
Zwischen 1951 und 1954 hatte er Einzelausstellungen in Berlin und Lüdenscheid und arbeitete mit der deutschen Homosexuellenpresse sowie dem Hamburger Verlag Christian Hansen Schmidt zusammen. 1952 lernte er seinen langjährigen Partner Hans-Joachim Pählke kennen. Von 1954 bis 1961 war er Darsteller an der Volksbühne in Ost-Berlin, bis der Mauerbau seine Tätigkeit dort beendete. 1963 nahm sich sein Partner Hans-Joachim Pählke unerwartet das Leben; Eberhardt verarbeitete den Verlust in seiner Kunst. In den 1960er bis 1980er Jahren war Brucks als freischaffender Grafiker tätig und übernahm kleine Filmrollen, bis er 2008 in Berlin verstarb.
Die Sammlung
Bis 2008 übernommen, umfasst die Sammlung ca. 15.000 Einzelpositionen und Konvolute – darunter rund 1000 künstlerische Arbeiten von Brucks, mehr als 2000 von ihm gemachte Fotografien und Dias und knapp 5000 Briefe, Postkarten und Telegramme von und an Brucks. Neben seinem Schaffen als Künstler, Grafiker und Fotograf zeigt die Sammlung auch Brucks eigene Sammlertätigkeit, von Büchern und grauer Literatur, über Autogrammkarten und Sammelbilder, bis zu Porzellan und eigenen Möbeln.
Die Ausstellung
„Strategien der Resilienz“ ist eine Ausstellung mit Objekten aus der Sammlung Eberhardt Brucks im Schwulen Museum sowie künstlerischen Arbeiten von Genesis Kahveci, Florian Hetz, Sarnt Utamachote und Rein Vollenga. Dabei wird eine neue Perspektive auf ein gar nicht so gewöhnliches schwules Leben im 20. Jahrhundert geboten und in eine queere Gegenwart verlängert: Die vier Positionen der zeitgenössischen Künstler:innen knüpfen an die resilienten Aspekte des Lebens von Eberhardt Brucks an.
Über neo seefried
neo seefried ist als freischaffende:r Kurator*in, Podcaster, Autor*, Kulturvermittler:in, Researcher, Aktivist:in, Künstler*in, Selektion an Clubtüren und Distributionsexpert tätig.
neos Vermittlungsarbeit setzt sich mit queeren Lebensrealitäten und der geschichtlichen Veränderung möglicher Narrative auseinander. They ist genderfluid und nicht-binär. neo hat Kunstpädagogik an der Universität Leipzig und Art Education Curatorial Studies an der Zürcher Hochschule der Künste studiert.
They ist Gründungsmitglied der 2022 gegründeten interdisziplinären, queeren, kollektiven Praxis ( ) s-p-a-c-e, die zu queerer Clubkultur in Berlin publizieren und podcasten. neo hält Workshops, Lesungen, Vorträge und Panel Discussions zum Beispiel am Kunstmuseum Basel, dem Haus für Poesie in Berlin, dem Tanzquartier Wien, der Hochschule für Bildende Künste Hamburg, dem LSVD uvm.
Zusätzliche Informationen
Öffnungszeiten:
Montag, Mittwoch, Freitag: 12–18 Uhr
Donnerstag: 12–20 Uhr
Samstag: 14–19 Uhr
Sonntag:14–18 Uhr
Dienstag: Ruhetag