
Die Treppenhalle des Neuen Museums bietet mit dieser Sonderpräsentation einen Dialog über Zeit, Sterblichkeit und die Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart. Zeitgenössische Kunst trifft auf historischen Raum, nimmt Bezug auf antike Vorbilder und gibt eine moderne Adaption der klassischen Rezeption des Mythos der Dioskuren, die auf ewig zwischen Tod und Leben wandeln.
Ausgangspunkt: Der Mythos
Die beiden ungleichen Zwillinge Kastor und Polydeukes – Söhne der schönen Königstochter Leda – wurden in einer Nacht von unterschiedlichen Vätern gezeugt, Kastor von Ledas Gemahl, dem spartanischen König Tyndareos, Polydeukes hingegen vom Gott Zeus, der Leda in Gestalt eines Schwanes erschienen war. Während Kastor als Sohn zweier Menschen sterblich ist, verleiht Polydeukes´ göttlicher Vater ihm Unsterblichkeit.
Die als Dioskuren bezeichneten Zwillinge bestehen gemeinsam Heldentaten auf der Suche nach dem Goldenen Vlies und beim Kampf des Herakles gegen die Amazonen. Als der sterbliche Kastor getötet wird, bittet Polydeukes seinen Vater Zeus, ihm die Unsterblichkeit zu nehmen, damit er mit seinem Bruder gemeinsam in den Hades gehen kann.
Zeus, gerührt von der über den Tod hinausgehenden Liebe der Zwillinge, stellt Polydeukes vor die Wahl, ewig jung zu bleiben, oder gemeinsam mit seinem Bruder einen Tag im Hades und einen auf dem Olymp zu verbringen, dabei aber zu altern und letztendlich auch zu sterben. Polydeukes wählt die Sterblichkeit und fortan wechseln beide täglich zwischen Tod und Leben.
Interpretation: Das Bild
„Der geschenkte Tag“, das raumfüllende malerische Werk des deutsch-britischen Künstlers Michael Müller greift das Kernstück des Mythos, die das Sterben überwindende Verbundenheit der Zwillinge auf. Der Künstler hält die immer wiederkehrenden 24 Stunden der die Welt durchwandelnden Brüder in bildgewaltiger Form fest: vom hellen Tag auf dem Olymp steigen beide in die Düsternis des Hades hinab. Das Besondere an diesem Kunstwerk ist, dass der Künstler jeden Abschnitt in der entsprechenden Tages- bzw. Nachtstunde gemalt und damit die sich immer wiederholende Reise selbst intensiv durchlebt hat.Dialog: Die Präsentation
Der Ort zur Darstellung dieses raumfüllenden Gemäldes ist sehr bewusst gewählt. Denn die Geschichte der Dioskuren mit ihrer, die Sterblichkeit überwindenden Liebe zueinander hat nicht nur in antiker Zeit die Künstler zu Bildwerken angeregt. Auch der Klassizismus des 19. Jahrhunderts konnte sich dem Reiz dieses Themas nicht entziehen. So standen einst monumentale Figuren der ihre Rosse bändigenden Zwillinge in der Treppenhalle des Neuen Museums. Es waren Abgüsse der Originale von der Piazza die Monte Cavallo vor dem Quirinspalast in Rom. Wie große Teile der Treppenhalle wurden auch diese Skulpturen im Zweiten Weltkrieg zerstört. Achtzig Jahre später lässt eine moderne Adaption diesen Teil der Geschichte des Gebäudes wieder erstehen.
Kuratorisches Team
In Zusammenarbeit mit dem Künstler Michael Müller und in Kooperation mit dem Ägyptischen Museum und Papyrussammlung und der Alien Athena Foundation for Art wurde die Ausstellung von Philipp Bollmann konzipiert und kuratiert.Begleitprogramm
Ergänzend zu dem Kunstwerk präsentieren die Papyrussammlung, das Münzkabinett und die Antikensammlung Exponate zum Mythos der Dioskuren und dessen antiker Rezeption.Kuratoren- und Künstlerführungen, Lesungen und Diskussionsrunden, Konzerte und Performances werden die Ausstellung begleiten, die sich im Rahmen des 200. Jubiläums der Museumsinsel Berlin präsentiert.
- Eine Sonderausstellung des Ägyptischen Museums und Papyrussammlung – Staatliche Museen zu Berlin