
AEG am Humboldthain
Hier ist Berlin Elektropolis
In Mitte, zwischen Brunnenstraße, Gustav-Meyer-Allee, Voltastraße und Hussitenstraße erstreckt sich einst eines der größten Berliner Industriegelände: Das Werksgelände des Elektrokonzerns Allgemeine Electricitäts-Gesellschaft (AEG) am Humboldthain.
Wer den Hof von der Gustav-Meyer-Allee aus betritt, spürt sofort die Monumentalität der eindrucksvollen Gebäude aus rotem Backstein. Auch ohne die Geschichte zu kennen, ist die Bedeutung dieses Ortes förmlich spürbar. Die heute denkmalgeschützte Gesamtanlage ist Ausdruck der aufstrebenden Elektroindustrie in Berlin um 1900.

Berlin als Elektropolis
Neben dem Maschinenbau hat vor allem die Elektroindustrie entscheidend die industrielle Entwicklung Berlins geprägt. Ab 1890 bestimmen die Unternehmen der Elektroindustrie den Aufstieg Berlins zur Industriemetropole – Berlin wurde zur Elektropolis! Den rasanten Aufstieg der Elektroindustrie bestimmt neben Siemens vor allem die 1883 gegründete AEG. Das Unternehmen beginnt seine Karriere mit der Produktion von Glühlampen nach dem Patent von Thomas A. Edison. Ihr Gebäude in Mitte ist schnell zu klein für die wachsende Nachfrage an Glühlampen. In der Ackerstraße lässt Firmengründer Emil Rathenau 1888 daher ein neues Fabrikgebäude bauen: die AEG Apparatefabrik. Auch hier ist bald zu wenig Platz. Nur sechs Jahre später entstehen die ersten Gebäude der neuen Fabrikstadt am nahegelegenen Humboldthain.
In den nächsten Jahrzehnten produziert die AEG an diesem Standort Elektromotoren, Eisenbahnmaterial, elektrotechnische Geräte aller Art und Haushaltsartikel wie Staubsauger.
Übrigens: Zur gleichen Zeit errichtet die AEG eine zweite Fabrikstadt südöstlich von Berlin: das Kabelwerk Oberspree in Oberschöneweide.
Deutschlands erste „U-Bahn"
Um das Areal am Humboldthain mit der Apparatefabrik der AEG an der Ackerstraße zu verbinden, wird 1895–97 ein rund 300 Meter langer Tunnel unter der Erde gebaut. Kleine Züge mit Elektroantrieb transportieren sowohl Material als auch Arbeiter:innen durch den Tunnel – von einem Standort zum anderen. Im Grunde entsteht damals die erste „U-Bahn" Deutschlands, wenn auch noch nicht öffentlich. Aber weniger als 10 Jahre später, können alle in Berlin U-Bahn fahren. Der Entwurf der AEG für eine komplett unterirdische Bahn wird aus Kostengründen zunächst nicht umgesetzt. Die erste U-Bahn Linie in Berlin eröffnet 1902 mit Strecken auf eisernen Stelzen oberhalb der Straße und in Tunneln im Untergrund.

AEG am Humboldthain
Die ersten Gebäude auf dem AEG-Gelände am Humboldthain stammen aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert. Aus dieser Zeit ist lediglich das von Architekt Franz Schwechten entworfene sogenannte Beamtentor erhalten. Durch dieses Tor betreten ab 1896 die leitenden Angestellten und leitenden Ingenieure das Werksgelände. Baumeister Schwechten ist ein führender Vertreter des Historismus und entwirft kurz zuvor unter anderem die Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche.
Für die Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche setzt Schwechten auf einen neoromanischen Stil, beim Beamtentor verwendet er hingegen Elemente aus der Gotik: Spitzbögen in Ziegelmauerwerk und Seitentürme erinnern an mittelalterliche Backsteinkirchen. Zahlreiche Ornamente weisen auf die AEG als Elektrizitätskonzern hin. Zum Beispiel Mosaiken mit Blitzen und Sternen oder ein Lebensbaum, der Glühbirnen als Früchte trägt.
Ab 1910 entstehen unter der architektonischen Leitung von Peter Behrens die bis heute größtenteils erhaltenen Industriegebäude. Behrens, Mitbegründer des Werkbundes, ist seit 1907 Künstlerischer Beirat der AEG. Seine Entwürfe zeugen von einem grundlegenden Wandel in der Industriearchitektur und haben eine wegweisende Bedeutung für die Architekturgeschichte des 20. Jahrhunderts.
Behrens findet eine monumentale Bauweise mit strengen, klar geordneten Formen ohne jedes Ornament. Dies zeigt sich schon an seiner ersten Tätigkeit für die AEG: An der Alten Fabrik für Bahnmaterial entfernt er Teile des historistischen Dekors. Sein großer Wurf ist die weltberühmte AEG-Turbinenhalle an der Huttenstraße in Moabit. Gemeinsam mit dem Bauingenieur Karl Bernhard konzipiert er dort einen eigenen Architekturstil für Industriebauten.

Am Humboldthain muss sich Behrens allerdings anderen Herausforderungen stellen. Seine Neubauten sollen sich in die Gebäude des bestehenden Werksgeländes einfügen. Doch auch hier realisiert er Ideen einer eigenständigen künstlerischen Gestaltung von Industriebauten, die gleichzeitig funktional sind.
Die Hochspannungsfabrik und die Kleinmotorenfabrik sind moderne Stahlskelettbauten. Neben dunkelrotem Backstein verwendet Behrens für die Fassadengestaltung bläulich schimmernde Eisenklinker, die sich noch heute deutlich vom umliegenden Wohngebiet abheben.
Jedoch sind diese Gebäude nicht frei von historischen Anspielungen. Die Hochspannungsfabrik lehnt sich ebenso wie die Turbinenfabrik an der Huttenstraße an die ägyptische Tempelarchitektur an. Noch monumentaler erscheint die Fassade der Kleinmotorenfabrik: 190 Meter lang, jeweils gegliedert durch einen eckigen Pfeiler, auf den sieben halbrunde Säulen folgen. Die Inspiration dafür stammt von der Architektur griechischer Tempel.
Eines der beeindruckendsten Gebäue auf dem ehemaligen AEG-Gelände ist die Montagehalle für Großmaschinen. Erbaut 1911/12 nach Plänen von Peter Behrens, gehört sie zu den größten Fabrikhallen Berlins. Vielleicht beeindruckt sie gerade deshalb, weil der Architekt bei der Montagehalle auf jede Monumentalität der Fassadengestaltung verzichtet. Das Gebäude ist sachlich gehalten. Eine Innovation ist das Dach: Inspiriert durch die Pavillons auf den Weltausstellungen überspannt Behrens die Montagehalle mit einem vollverglasten Dach. Wer mit offenen Augen durch Berlin geht, trifft häufiger auf den Architekturstil, den Behrens für die AEG etabliert. Die Montagehalle am Humboldthain (1912), die AEG Turbinenhalle in Moabit (1909) und die Rathenau-Hallen (1916) in Oberschöneweide zeigen die gleiche Formensprache. Auf den ersten Blick erscheinen sie sogar identisch. Doch Details wie die Farben der Ziegel und die Größe der Fensterfronten unterscheiden sich. Behrens' Verbindung von stimmiger Architektur, Typografie und Produktdesign ist damals einzigartig. Er gilt daher als Erfinder des Corporate Design.

Vom AEG-Gelände zum Technologie- und Innovationspark
Bis 1983 werden in den Fabriken an der Brunnenstraße Elektrogeräte produziert. Nach der Aufgabe des Standorts werden die Gebäude auf der östlichen Hälfte des Fabrikgeländes abgerissen. Die verbliebenen Fabriken werden heute als Technologie-Park Humboldthain TPH, von Instituten der Technischen Universität, Gewerbebetrieben und Medienunternehmen genutzt. Die Gesamtanlage steht unter Denkmalschutz.
Ab in den Tunnel
Der Berliner Unterwelten e.V. bietet Führungen in den stillgelegten AEG-Tunnel an. Erkunden Sie den beinahe 300 Meter langen Tunnel, durch den einst Berlins erste U-Bahn gefahren ist. In den letzten Jahren ist der Tunnel deutschlandweit bekannt geworden, denn er war eindrucksvolle Kulisse für die Serie Babylon Berlin.
Bauhaus100: Grand Tour der Moderne
Zum 100-jährigen Bauhaus-Jubiläum im Jahr 2019 entwickelte der Bauhausverbund eine Grand Tour der Moderne, die Architekturfans durch ganz Deutschland führt. Das Gelände AEG am Humboldthain ist Bestandteil dieser Themenroute. Die weiteren Berliner Standorte als
Grand Tour der Berliner Moderne
Ausflugsziel per Rad
Das Gelände der AEG liegt an der Fahrradroute: Tour: Warmes Licht und kühles Bier
Weitere Fahrradrouten finden sind in unseren Tourenvorschlägen
Praktische Infos von visitBerlin
Das Gelände der AEG am Humboldthain erreichen Sie über die U-Bahnstation Voltastraße (U8). Um die Stadt zu erkunden, empfehlen wir für den öffentlichen Nahverkehr die Berlin Welcome Card.
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