Abspannwerk Bergmannstraße
Ehemals notwendige Infrastruktur - heute Industriedenkmal
In den 1920er Jahren ist Berlin nicht nur die drittgrößte Stadt der Welt, sondern steht an der Spitze der Zweiten Industriellen Revolution. Viele der heutigen Denkmäler der Industriekultur entstehen in dieser Zeit.
Elektrizität ist die Grundlage bahnbrechender Veränderungen. Prägte die Dampfkraft die Industrie des 19. Jahrhunderts, tritt im 20. Jahrhundert der Strom an ihre Stelle. Strom treibt die Maschinen der Industrie an und revolutioniert den öffentlichen Nahverkehr.
Berlin ist Wegbereiterin dieser Entwicklung. Hier entstehen mit AEG und Siemens international führende Elektrokonzerne. Und hier entsteht eine Stadt, die dank Elektrifizierung selbst im Dunkeln leuchtet.
Doch Elektrifizierung ist eine schwierige Aufgabe; sie benötigt eine gewaltige Infrastruktur. Nicht nur Kraftwerke, die Strom erzeugen, sondern auch Abspannwerke, die die Spannung des Stroms reduzieren – ein technisch notwendiger Schritt, damit Endabnehmer in Industriebetrieben, öffentlichen Einrichtungen und privaten Haushalten Elektrizität nutzen können.
Spannung in Würfelform
Das Abspannwerk Bergmannstraße mit seiner charakteristischen Würfelform errichtet der Architekt Hans Heinrich Müller im Jahr 1929.
Müller, der Hausarchitekt der neugegründeten BEWAG (Berliner Städtische Elektrizitätswerke Aktiengesellschaft), entwirft während der 1920er-Jahre insgesamt 40 Abspannwerke, die das Rückgrat der Berliner Stromversorgung bilden. Müller will nicht nur reine Funktionsbauten errichten, er hat auch einen architektonischen Anspruch.
Seine moderne Handschrift ist am Abspannwerk in der Bergmannstraße augenfällig: ein Stahlskelettbau, den Müller mit roten Backsteinen verkleidet. Unverkennbar lässt sich der Architekt von der norddeutschen Backsteingotik inspirieren.
Müller variiert seine Entwürfe, um jeder Anlage ein individuelles Aussehen zu verleihen. Das technische Werk in der Bergmannstraße zeichnet sich durch sachliche Schlichtheit aus. Während das ehemalige Abspannwerk Kottbusser Ufer als „Kathedrale der Elektrizität“ bekannt wird, verzichtet Müller an der Bergmannstraße auf sakrale Anspielungen. Auch expressionistische Elemente, wie er sie am Kottbusser Ufer einsetzt, fehlen vollständig.
Weitere Bauten von Hans Heinrich Müller:
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Die Fassadenelemente am Abspannwerk Bergmannstraße sind zurückhaltend. Müller setzt die Stahlfenster in der Fassade leicht zurück und fasst sie mit lebhaftem Rot ein. Dadurch entsteht ein deutliches Relief. Auffällig ist die Gestaltung der beiden Funktionseinheiten, Schalthaus und Schaltwarte, als Würfel, die über eine Stahlbrücke verbunden sind.
Die Transformatoren standen einst frei vor dem Schalthaus. Davon ist nichts mehr zu sehen, denn das Abspannwerk dient heute nicht mehr der Elektrizitätsversorgung. Die BEWAG legte viele Anlagen still und verkaufte sie. Nach der Jahrtausendwende auch das Werk in der Bergmannstraße. Nach seiner Entkernung zwischen 2006 und 2008 steht es heute unter Denkmalschutz und dient inzwischen in neuer Funktion als Ärztehaus.
Grand Tour der Moderne
Zum 100-jährigen Bauhaus-Jubiläum im Jahr 2019 entwickelte der Bauhausverbund eine Grand Tour der Moderne, die Architekturfans durch ganz Deutschland führt. Das ehemalige Abspannwerk Bergmannstraße ist Bestandteil dieser Themenroute.
Die weiteren Berliner Standorte als Grand Tour der Berliner Moderne:
Grand Tour der Berliner Moderne
Unsere Tipps rund um das ehemalige Abspannwerk Bergmannstraße
Das markante Abspannwerk am Kottbusser Ufer, Hans Heinrich Müllers „Kathedrale der Elektrizität“, erreichen Sie mit der U-Bahn-Linie 8 bis Schönleinstraße. In der Nähe der Bergmannstraße sollten Sie ein weiteres Highlight der Berliner Moderne nicht verpassen: Etwa einen Kilometer südlich befindet sich der ehemalige Flughafen Tempelhof mit dem Tempelhofer Feld, heute ein beliebtes Naherholungsgebiet.
Praktische Infos von visitBerlin
Zum ehemaligen Abspannwerk Bergmannstraße fahren Sie am besten mit der U-Bahn-Linie 7 bis Gneisenaustraße oder mit der U-Bahn-Linie 6 bis Mehringdamm. Um die Stadt zu erkunden, empfehlen wir für den öffentlichen Nahverkehr die Berlin Welcome Card.