Skip to main content
Wohnturm Charlottenstraße, IBA 1987 Berlin - Kreuzberg Tower
Wohnturm Charlottenstraße, Berlin Kreuzberg © Landesdenkmalamt Berlin, Foto: Wolfgang Bittner

Wohnturm Charlottenstraße

Der Kreuzberg-Tower

In den 1980er Jahren wird durch neue städteplanerische Konzepte die Innenstadt aufgewertet. Insbesondere Tiergarten, Kreuzberg und Tegel stehen im Fokus.

Zur Internationalen Bauausstellung 1987 (IBA 87) reichen zahlreiche Stararchitekten Entwürfe ein. Unter ihnen der US-amerikanische Architekt und Künstler John Hejduk, Mitglied der Architektengruppe New York Five. Hejduk, der jahrzehntelang an der Architekturschule The Cooper Union unterrichtete, ist heute vor allem für seine Schriften zur Architekturtheorie bekannt. Es gibt weltweit nur wenige realisierte Bauten von ihm, die Wohnanlage in der Charlottenstraße 96–98 gehört dazu. 

John Hejduk hatte für West-Berlin zuvor bereits zwei Projekte entworfen, die für ihre konzeptionellen Qualitäten ausgezeichnet wurden, sich aber als nicht realisierbar erwiesen. 1982 erhält er von der IBA in direkter Vergabe drei Grundstücke, unter anderem als Teil der IBA-Bauten am Tegeler Hafen. Als größtes Projekt steht ihm in der südlichen Friedrichstadt das Grundstück an der Charlottenstraße in Kreuzberg zur Verfügung. 

Wohnturm Charlottenstraße, IBA 1987 Berlin Kreuzberg
Wohnturm Charlottenstraße © Landesdenkmalamt Berlin, Foto: Wolfgang Bittner

Ein Turm und seine Flanken 

Da auf dem angrenzenden Gewerbehof bereits Gebäude stehen, muss Hejduk entscheiden, wie er seinen Entwurf in das Stadtbild integrieren will. Er entwirft zwei fünfgeschossige Wohnbauten, die der Höhe nach direkt an die bestehenden Nachbarhäuser anschließen. Dadurch entsteht eine dreiflügelige Anlage, in deren Mitte der Ateliersturm thront. Die Anlage ist halböffentlich gestaltet und öffnet sich nach Süden zum Besselpark. 

Durch eine Freifläche zwischen Straße und Gebäuden kommt Hejduks Entwurf besonders gut zur Geltung: Eindrucksvoll wächst der Turm mit seinen 14 Geschossen in die Höhe. Was der Betrachter von der Straße aus nicht sofort wahrnimmt: Es handelt sich eigentlich um ein Ensemble von fünf Türmen. In der Mitte sieht sein Entwurf ursprünglich Atelierwohnungen für Stipendiaten des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) vor.
Die Funktionsräume wie Badezimmer, Küche und Abstellraum verlegt er in jeweils seitlich anschließende Anbauten. Auf der Rückseite des Hauptturms liegen noch zwei weitere Turmbauten, in denen sich das Treppenhaus und der Fahrstuhlschacht befinden.

Entwurf mit unverwechselbarem Profil 

Zu den auffälligsten Gestaltungsmerkmalen der in Grau gehaltenen Bauten gehören die vorgelagerten, grünen Blechdächer und die nach innen geneigten Dachflächen. Sie wenden die klassische Satteldachform in ihr Gegenteil und ermöglichen es, in den Dachgeschossen Glaseinsätze zu platzieren, durch die Tageslicht in die Wohnungen fällt. Mit einer reduzierten Farbgebung setzt der Architekt bewusst ein Statement gegen überbordende Entwürfe der Postmoderne. 

2010, zehn Jahre nach Hejduks Tod, wechseln die Gebäude durch Zwangsversteigerung den Besitzer. Als bekannt wird, dass umfangreiche Umbauten geplant sind, ist die internationale Architektengemeinde alarmiert. Die Balkone sollen vergrößert und die grünen Blechdächer entfernt werden. Architekten wie Peter Eisenman und Daniel Libeskind protestieren dagegen und argumentieren, dass das Ensemble sein unverwechselbares Gesicht verlieren würde. 

Der geplante Umbau findet in dieser Form nicht statt, und heute können Besucher in der Charlottenstraße 96–98 die Bauten so bewundern, wie John Hejduk sie entworfen hat. 

Grand Tour der Moderne

Zum 100-jährigen Bauhaus-Jubiläum im Jahr 2019 entwickelte der Bauhausverbund eine Grand Tour der Moderne, die Architekturfans durch ganz Deutschland führt. Diese Wohnanlage ist Bestandteil dieser Themenroute.

Die weiteren Berliner Standorte als Grand Tour der Berliner Moderne:

Grand Tour der Berliner Moderne

Unsere Tipps rund um den Wohnturm Charlottenstraße 

In Fußnähe, in der Friedrichstraße 43–45, befindet sich eine der beliebtesten Sehenswürdigkeiten Berlins: Checkpoint Charlie, der ehemalige Grenzübergang zwischen dem Ost- und Westteil der Stadt.
Etwa fünf Minuten ist das Jüdische Museum des Architekten Daniel Libeskind entfernt. Die dekonstruktivistische Architektur des Museums, des größten seiner Art in Europa, ist beeindruckend. Die Dauerausstellung wird derzeit modernisiert und ist ab 2020 wieder zugänglich. In der Alten Jakobstraße befindet sich auch die Berlinische Galerie mit Ausstellungen aus den Bereichen Bildende Kunst, Fotografie, Architektur und Grafik.  

Bitte beachten Sie: Die Berlinische Galerie ist bis zum 25. Mai geschlossen. Das Beleuchtungssystem der Räume wird modernisiert.

Praktische Infos von visitBerlin

Den Wohnturm Charlottenstraße erreichen Sie mit der U-Bahn-Linie 6 bis Haltestelle Kochstraße. Um die Stadt zu erkunden, empfehlen wir für den öffentlichen Nahverkehr die Berlin Welcome Card.

Eine Bitte in eigener Sache

Die Wohnanlage ist ein ausgewiesenes Flächendenkmal. Gleichzeitig ist sie aber auch das Zuhause vieler Menschen, die hier wohnen und arbeiten. Diese pflegen das Denkmal und helfen, die Erinnerung zu bewahren.
Bitte berücksichtigen Sie dies bei Ihrer Besichtigung. Vielen Dank!