Stadtbad Oderberger Straße
Schwimmhalle & Hotel
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts sind Schwimmbäder nicht nur zum Schwimmen da. Die Besucher kommen, um sich zu waschen und zu duschen.
Im Kaiserreich sind Badezimmer ein Luxusgut. 1910 können nur zehn Prozent der Berliner in ihrer eigenen Wohnung duschen oder baden, und das ist nicht nur ein Mangel an Komfort, sondern auch eine Gefahr für die Hygiene.
Eine Antwort auf die rasant wachsende Bevölkerung der Reichshauptstadt gibt Berlins Stadtbaurat Ludwig Hoffmann mit dem Bau von vier Stadtbädern. Zwischen 1899 und 1902 wird eines davon in der Oderberger Straße in Prenzlauer Berg errichtet.
Hoffmanns Entwurf zeichnet sich durch eine rationale Organisation des Gebäudes aus. Gleich hinter dem Eingangsbereich finden die Badegäste auf beiden Seiten Kassen- und Warteräume für die Waschgelegenheiten. Getrennte Treppenhäuser führen zu den Damen- und Herren-Umkleiden. Die jeweils 63 Duschen und Wannenbäder befinden sich in den Seitentrakten. Auch hier achtet Hoffmann auf modernste Technik: Die Trennwände zwischen den Waschzellen enden drei Zentimeter über dem Boden – dies erleichtert Lüftung und Reinigung.
Den größten Teil des Stadtbades nimmt die Schwimmhalle ein, die sich über drei Geschosse erstreckt. Auch hier ist das Gebäude durchdacht: Statt Oberlichtern sorgen Hochlichter an den Seitenwänden für eine angenehme Beleuchtung. Die Dachkonstruktion beugt zudem Feuchtigkeit an der Decke vor.
Das Schwimmbecken selbst verrät hingegen noch heute, dass Schwimmen im Stadtbad nur eine Möglichkeit neben dem Baden und Duschen ist: Auf 20 mal 12 Metern können nicht allzu viele Besucher gleichzeitig sportlich aktiv sein.
Funktionalität im verschwenderischen Gewand
Dass das heutige Stadtbad Oderberger Straße zweckmäßig gestaltet ist, nimmt der Betrachter erst auf den zweiten Blick wahr, zahlreiche Schmuckelemente lenken davon ab. Ludwig Hoffmann, der für das Stadtbad Kreuzberg eine Fassade im Stil der italienischen Renaissance gewählt hat, verleiht dem Gebäude an der Oderberger Straße das Aussehen eines deutschen Renaissance-Palastes. Hohe Satteldächer und Dachaufbauten mit Giebeln verstärken diesen historisierenden Gestaltungsansatz.
Im Stil der Renaissance ist auch der Eingang gehalten, der an historische Rathausportale erinnert. Auf die eigentliche Bedeutung des Gebäudes weist nur ein Relief über dem Portal hin: Wassernixen baden einen Bären.
Auch im Innern setzen sich die historistischen Stilelemente fort. Hier wählt Hoffmann die Optik einer Kirche: Ein Gewölbe überdeckt die dreigeschossige Schwimmhalle, Galerien und Arkaden zieren die Seiten des Raums. Rundbogenfenster rahmen die Hochlichter ein und verstärken den sakralen Eindruck.
Der Bildhauer Otto Lessing versieht sowohl die Fassade als auch die Innenräume mit zahlreichen Skulpturen, die sich dem Thema Wasser widmen.
„Ja, ja, der Hoffmann, dem haben wir alle unrecht getan!“ So soll sich der Architekt Ludwig Mies van der Rohe 1956 über Ludwig Hoffmann geäußert haben, der zu diesem Zeitpunkt schon fast vergessen ist.
Dabei ist Hoffmann 28 Jahre lang – von 1896 bis 1924 – Berliner Stadtbaurat und lässt in dieser Zeit insgesamt 300 öffentliche Gebäude errichten. Zu den berühmtesten gehören das Märkische Museum und das Virchow-Krankenhaus. Doch die jungen Architekten der Moderne schätzten Hoffmann nicht. Sie kritisieren seinen traditionalistischen Stil und sind erleichtert, als mit Martin Wagner 1926 ein progressiver Stadtplaner Berliner Stadtbaurat wird.
Hoffmanns Bauwerk überdauert den Zweiten Weltkrieg. Das Dach und die Fenster gehen zu Bruch, doch schlimmere Zerstörungen bleiben dem Gebäude erspart. In der DDR nutzen Badegäste wieder die Schwimmhalle. 1986 machten sich Risse im Becken bemerkbar und die Behörden schließen das Stadtbad.
Für drei Jahrzehnte ruht der Badebetrieb an der Oderberger Straße. Erst 2016 ändert sich das. Private Betreiber sanieren die Schwimmhalle denkmalgerecht und betreiben das Gebäude heute als Hotel Oderberger. Das Berliner Landesdenkmalamt verleiht ihnen dafür die Ferdinand-von-Quast-Medaille 2017.
Unsere Tipps rund um das Stadtbad
Das Stadtbad Oderberger Straße ist für externe Gäste geöffnet. Die Öffnungszeiten entnehmen Sie bitte der Webseite des Hotels Oderberger. Nicht weit entfernt befindet sich das seit 1974 denkmalgeschützte weitläufige Gelände der Kulturbrauerei, der früheren Schultheiss-Brauerei, mit sechs Innenhöfen und mehr als 20 Gebäuden. Das eindrucksvolle Industriearchitekturdenkmal mit der roten Klinkerfassade entstand Ende des 19. Jahrhunderts und beherbergt heute unter anderem ein Kino, Restaurants, Clubs, ein Theater und ein Museum.
Praktische Infos von visitBerlin
Das Stadtbad Prenzlauer Berg erreichen Sie mit der U-Bahn-Linie 2 an der Haltestelle Eberswalder Straße. Um die Stadt zu erkunden, empfehlen wir für den öffentlichen Nahverkehr die Berlin Welcome Card.