Laura Huertas Millán / Sarker Protick
Mit der Einsicht, dass das Leben und Wirtschaften im globalen Kapitalismus das Ökosystem der Erde irreversibel verändert, sind zahlreiche gängige Vorstellungen von Natur ins Wanken geraten. Die Auswirkungen der Klimakrise zeigen, dass Natur im 21. Jahrhundert nicht länger 'natürlich' ist, sondern in jeglicher Hinsicht durch menschliches Handeln geprägt ist.
Wie blicken Menschen heute also auf eine Natur, deren Zustand untrennbar mit den sozialen und politischen Ausprägungen ihrer Lebensweisen verwoben ist?
Gemeinsam mit der Crespo Foundation verleiht C/O Berlin ab 2024 den After Nature Prize 2024. Der jährlich an zwei Einzelpersonen oder Gruppen mit fortgeschrittener Ausstellungs- und Publikationspraxis ab 35 Jahre vergebene Preis ermöglicht die Umsetzung neuer Projekte zum Thema 'Fotografie nach der Natur'.
Die ersten Preisträger:innen sind Laura Huertas Millán (*1983, Kolumbien) und Sarker Protick (*1986, Bangladesch).
In ihren beiden ausgezeichneten Projekten untersuchen Laura Huertas Millán (*1983, Kolumbien) und Sarker Protick (*1986, Bangladesch) aus unterschiedlichen Perspektiven und geografischen Kontexten, wie koloniale Strukturen die moderne Beziehung zur Natur bis heute prägen. Beide teilen ein tiefes Interesse an der Geschichte und den Ursprüngen unseres Verhältnisses zur Welt. Durch die Verschmelzung von Historischem und Gegenwärtigem nehmen sie globale Zusammenhänge in den Blick und machen das Publikum auf die visuellen Mechanismen aufmerksam, die am Werk sind, wenn sich Vorstellungen von Natur in Fotografie und visuellen Medien manifestieren.
Laura Huertas Millán . Curanderxs
Die Ausstellung Curanderxs (span. Heiler:innen) präsentiert neben der gleichnamigen Multikanal-Projektion, die im Rahmen des After Nature Prize 2024 neu produziert wurde, zwei weitere Videoinstallationen der Künstlerin.
Kaum eine Pflanze ist so umstritten wie die Kokapflanze. Seit 2018 beschäftigt sich die kolumbianische Filmemacherin Laura Huertas Millán in ihren Arbeiten mit der Kokapflanze.
Ausgehend von dem erstmaligen Verbot der Pflanze im Zuge der spanischen Kolonisierung Lateinamerikas entwickelt Huertas Millán in ihrer neuen Arbeit ein spekulatives Narrativ, in dessen Zentrum eine Gruppe weiblich gelesener Personen steht, die im 17. Jahrhundert heimlich Kokablätter verteilten.
In der westlichen Welt wird Koka hauptsächlich mit dem Rauschmittel Kokain in Verbindung gebracht, das erstmals im Europa des 19. Jahrhunderts hergestellt wurde und ein gewaltvolles System des Drogenhandels und -missbrauchs hervorgebracht hat. Dass die Pflanze durch ihre heilende und stimulierende Wirkung eine kulturelle und spirituelle Bedeutung für die indigene Bevölkerung der Andenregion hat, verweist auf eine Leerstelle in der Geschichtsschreibung, die nicht zuletzt auf die westliche Wissenshegemonie zurückzuführen ist.
Sarker Protick . অঙ্গার . Awngar
Der bangladeschische Fotograf Sarker Protick spannt in seiner Ausstellung অঙ্গার . Awngar ebenfalls den Bogen zwischen verschiedenen Zeitlichkeiten. Mit Blick auf das historische Gebiet Bengalens, das sich heute über Indien und Bangladesch erstreckt, legt er die Verbindung zwischen der kolonialen Geschichte des indischen Subkontinents und der bis heute andauernden Ausbeutung der dort lebenden Menschen und Ökosysteme offen.
Seine fotografische Untersuchung gleicht dabei einer Feldforschung. Wie viele seiner Arbeiten ist অঙ্গার . Awngar als Langzeitprojekt angesetzt. Im Fokus steht der Zusammenhang zwischen dem Ausbau von Eisenbahnverbindungen und dem Kohlebergbau im 19. Jahrhundert unter der Kolonialherrschaft des British Empire.
Für Awngar begab sich Protick auf die Reise an verschiedene Orte in Indien und Bangladesch, beispielsweise nach Narayankuri, Westbengalen, wo sich eine der ältesten Minen Indiens befindet. Oder an die 1,6 Kilometer lange Eisenbahnbrücke Hardinge Bridge – ein Prestigeprojekt, das zwischen 1910 und 1915 erbaut wurde und sich über den Padma River in Bangladesch erstreckt. Bis heute ist sie ein wesentlicher Teil der Infrastruktur des Schienenverkehrs und somit ausschlaggebend für die Mobilität der Arbeiter:innen und den Transport von Exportgütern.
Gleichzeitig erinnert diese Infrastruktur an die brutale Geschichte der Teilung Bengalens.
Proticks Fotografien zeigen dystopische Kohlereviere umgeben von Schutt und Staubwolken, stillgelegte Eisenbahnstrecken, die ins Nichts führen, sowie Ruinen und Relikte des Spätkapitalismus, die an einst florierende Industrien erinnern. Seine sorgfältig durchdachten, minimalistischen Kompositionen öffnen den Blick für menschenleere Räume und Landschaften.
Die Doppelausstellung wird vom 14. Sep 2024 – 23. Jan 2025 erstmals bei C/O Berlin im Amerika Haus zu sehen sein.
Dazu erscheint eine begleitende Publikation.
Zusätzliche Informationen
Preisinformationen: Besucher*innen des Museums für Fotografie und der Helmut Newton Stiftung erhalten am Geltungstag ihres Tickets eine Ermäßigung von 2,00 €, bzw. 1,00 € (für das ermäßigte Ticket).
Preis: 12,00 €
Ermäßigter Preis: 6,00 €
Informationen zum ermäßigten Preis: Kinder und Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr haben freien Eintritt.