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Gustav-Adolf-Kirche
Gustav-Adolf-Kirche © Landesdenkmalamt Berlin, Foto: Wolfgang Bittner

Gustav-Adolf-Kirche

Ikone der Neuen Sachlichkeit

Wer sie betritt, spürt ihre unglaubliche Raumwirkung: Otto Bartnings Gustav-Adolf-Kirche in Charlottenburg-Nord.

Mit der Gustav-Adolf-Kirche kreiert Otto Bartning sein Meisterwerk – eine Ikone der Neuen Sachlichkeit, die niemals kühl wirkt. Der Architekt verbindet Funktionalismus mit Wärme, indem er Licht und Raum auf geniale Weise gestaltet.
Neubauten von Kirchen sind heute selten. Anders vor rund hundert Jahren. Zu dieser Zeit entstehen überall neue Kirchengemeinden: Zahlreiche Menschen ziehen auf der Suche nach Arbeit in das damals noch selbstständige Charlottenburg. 1915 bildet sich die Gustav-Adolf-Gemeinde – eine neue evangelische Gemeinschaft im Norden der Stadt.
Bis zum Bau einer eigenen Kirche ist es ein weiter Weg. Die neue Gemeinde hat zwar bald 21.000 Mitglieder, aber kaum Geld. Ihre Gottesdienste finden in einer Schule, in Privatwohnungen und Gaststätten statt.

Erst durch die Unterstützung des Berliner Synodalverbands wird ein eigener Bau möglich. Die Gemeinde schreibt einen Architekturwettbewerb aus, die Qualität der Einreichungen überzeugt sie jedoch nicht. 1929 überträgt sie ihren Bauauftrag an den profilierten Kirchenbaumeister Otto Bartning. Mit seiner Stahl-Kirche, einem Gotteshaus aus Stahl und Glas, hat dieser ein Jahr zuvor bei einer Ausstellung in Köln für Furore gesorgt.

Starker Eindruck

Das Baugelände in Charlottenburg liegt an einem Eckgrundstück an der Kreuzung Brahe-und Herschelstraße. Eigentlich eine ungünstige Voraussetzung. Bartning verwandelt sie zu seinem Vorteil: Die Straßenecke wird der Ausgangspunkt des Gesamtgebäudes, zusätzlich betont durch einen schlanken, hohen Glockenturm. Von hier fächert sich die Kirche nach außen auf, in insgesamt fünf Kirchenschiffe. An den Seiten positioniert er das Gemeinde- und das Schwesternhaus.
Träger aus Stahlbeton bilden die Basis des Gebäudes, das insgesamt 1.150 Besucher aufnehmen kann. Als Verkleidung wählt der Architekt gelb-braune Klinker. Vor allem aber ermöglicht die Stahlkonstruktion den Einbau großer Fensterflächen. Die Seitenfenster sind in verschiedenen Farbtönen gehalten. Unabhängig von Wetter und Tageszeit erfüllen sie das Gotteshaus mit warmem Licht. Die grau-blauen Fenster hinter dem Altar übernehmen eine andere Aufgabe: Sie lassen kein Licht hinein, öffnen den Raum in die Weite, ohne die Besucher zu blenden.

Gezielte Raumwirkung

Den Boden zwischen Eingang und Altarraum legt Bartning abschüssig an. Wer auf den Altarraum zugeht, scheint kleiner zu werden, während er auf einen erhöhten Altar und ein riesiges Kreuz blickt. Dies soll den Gläubigen ein Gefühl der Demut vermitteln.
Einen Chor gibt es nicht, denn die Predigt steht im Zentrum. Das gilt nicht nur für die Optik, sondern auch für die Akustik: Schallwellen hat Bartning durch die Konstruktion gebunden, ein Nachhall entsteht nicht. Ein expressionistisches Detail ist die Kirchenorgel, deren Silhouette auffällig gezackt ist.

Rettung des Meisterwerkes

Die Gustav-Adolf-Kirche ist eines der letzten Bauprojekte in der Weimarer Republik. Die Nationalsozialisten nutzen sie für ihre Zwecke: 1934 organisieren die NS-nahen Deutschen Christen die Einweihung, in Anwesenheit des nationalsozialistischen Reichsbischofs der Evangelischen Kirche, Ludwig Müller.
Im Zweiten Weltkrieg verursachen mehrere Bombentreffer große Schäden, und in der Nachkriegszeit kann die Gemeinde kein Geld für Reparaturen aufbringen. Sie zieht sogar in Erwägung, die Kirche abzureißen. Doch der Architekt rettet sein Werk.
Die Nationalsozialisten hatten Otto Bartnings Arbeiten als „kulturbolschewistisch“ verfemt. Nach dem Krieg findet er wieder Anerkennung. Ab 1950 ist er Präsident des Bundes Deutscher Architekten. Schon vorher gelingt es ihm, ein Notkirchenprogramm auf die Beine zu stellen. Mit Hilfe US-amerikanischer Sponsoren kann er Kirchen reparieren.
So auch die Gustav-Adolf-Kirche. Und die Methoden des Neuen Bauens erweisen sich als nützlich. Die Basis aus Stahlbeton ist trotz der Bombardierung erhalten geblieben. 1949/51 sorgt das Notkirchenprogramm für einen vereinfachten Wiederaufbau. Am Ende des Jahrzehnts folgt die denkmalgerechte Sanierung. Die hellen Fenster mit ihren warmen Farben erstrahlen seitdem wieder im originalen Glanz. Nur die expressionistisch gestaltete Kirchenorgel hat der Krieg unwiederbringlich zerstört.

Unsere Tipps rund um die Gustav-Adolf-Kirche

In unmittelbarer Nähe können Sie das Schloss Charlottenburg besuchen. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln haben Sie zudem Gelegenheit, weitere Sehenswürdigkeiten der Berliner Moderne zu entdecken. Nehmen Sie von S+U-Bahnhof Jungfernheide die Linie M27 in Richtung S+U-Bahnhof Pankow. Steigen Sie an der Haltestelle Turmstraße/Beusselstraße aus und gehen Sie zur Huttenstraße: Dort befindet sich mit der AEG Turbinenhalle der erste Bau moderner Industriearchitektur. Nicht verpassen sollten Sie einen weiteren Sakralbau der Moderne: die Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche. Nehmen Sie dafür die Ringbahn bis Westhafen und steigen dort in die U-Bahn-Linie 9 in Richtung Rathaus Steglitz um. Vom S+U-Bahnhof Zoologischer Garten ist es nur ein kurzer Fußweg zur Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche am Breitscheidplatz.

Praktische Infos von visitBerlin

Die Gustav-Adolf-Kirche erreichen Sie mit der Ringbahn oder mit der U-Bahn-Linie 7 am S+U-Bahnhof Jungfernheide. Um die Stadt zu erkunden, empfehlen wir für den öffentlichen Nahverkehr die Berlin Welcome Card.