
Stella ist nicht glücklich. Von Liebeskummer zerfressen, hofft sie auf die Rückkehr von Fernando. Auch Cäcilie, die bei Stella um Anstellung für ihre Tochter bittet, wurde einst sitzen gelassen. Im gemeinsamen Schmerz um das verlorene Objekt merken beide nicht, dass sie um ein und dieselbe Person trauern.
Die Uraufführung löste 1776 einen Theaterskandal aus, denn am Ende gehen die drei Liebenden eine Dreiecksbeziehung ein: "Eine Wohnung, Ein Bett, und Ein Grab." Goethes Stück als Plädoyer queerer Beziehungsweisen?
Für die zweite für WORX entstehende Inszenierung versetzt Lucia Wunsch "Stella" in ein Meer aus Blumen, in dem (Liebes-)Traum und -Realität luzide miteinander verschwimmen.
Welche Verletzungen fügen Menschen sich gegenseitig in der Liebe zu? Ist es möglich, einen geliebten Menschen so zu sehen, wie er wirklich ist?
"Wache ich oder träume ich?"
Zusätzliche Informationen
Die Kunst (ver)führt zur Utopie "Wenn ich jetzt nicht Dramas schriebe, ich ginge zu Grunde", formuliert Goethe 1775 in einem Brief. Das gemeinte Drama: Stella. Goethe schreibt es, als er gerade mal 26 Jahre alt ist. Die Uraufführung löst 1776 einen Theaterskandal aus und wird nach nur wenigen Vorstellungen abgesetzt. Der Grund für die Aufregung: Das Stück handelt von der Liebe dreier Menschen, die am Ende in einer Dreiecksbeziehung aufgeht.Stella – reich, aber einsam und von Liebeskummer zerfressen – hofft auf die Rückkehr von Fernando, der sie einst verließ. Auch Cäcilie wurde von ihm sitzen gelassen und verlor danach alles. Unter anderem Namen reist sie mit Lucie, ihrer (und Fernandos) Tochter, zu Stella, um der Tochter durch eine Anstellung materielle Sicherheit zu ermöglichen. Als Stella und Cäcilie aufeinandertreffen, begegnen diese sich jedoch auf existenzielle Weise: im gemeinsamen Schmerz um die Bilder ihrer großen Liebe. Nicht merkend, dass sie um ein und dieselbe Person, ein und dasselbe Phantasma und Prinzip trauern: Fernando.Als dieser auch noch auftaucht und glaubt, sich für die eine oder die andere Liebe entscheiden zu müssen, löst Goethe diese scheinbar tragische – und autobiografischinspirierte – Situation in eine polyamorph-queeren Dreierbeziehung auf: "Eine Wohnung, ein Bett, und ein Grab." Die Kunst (ver)führt zur Utopie.Die Vorstellung von Liebe als eine binäre zwischen einem Mann und einer Frau; der bürgerliche Entwurf der Ehe als Hort der Intimität, aber auch als Rechtfertigung gesellschaftlicher Eigentumsverhältnisse ('meine' Frau, 'unser' Haus) – angesichts der Utopie, die in Goethes "Stella" aufscheint, verwelkt all dies wie ein alter, muffiger Strauß Blumen.1806 wird Goethe vom Muff seiner Zeit eingeholt: Als alter Mann schreibt er das Ende des Stücks um. Aus dem "Schauspiel für Liebende" wird "ein Trauerspiel in fünf Akten" – Stella nimmt Gift, Fernando erschießt sich, Cäcilie bleibt mit ihrer Tochter erneut zurück.2025 versetzt Lucia Wunsch "Stella" in ein Meer aus Blumen. Unsere Zeit: ein Blumengeschäft, sowohl ein Ort der oberflächlichen Begegnung als auch einer der Hoffnung auf Strand unter dem Pflaster. Blumen als Symbol für die Liebe, in ihrer schönen und unbeherrschbaren Form, aber auch in ihrer Warenförmigkeit: abgesteckt und zugeschnitten – die Transaktion ersetzt die Transzendenz. Lucia Wunsch sucht nach den poetischen Bildern hinter den Bildern. Bilder der Liebe, in denen Traum und Realität luzide miteinander verschwimmen und Archetypen der Liebe erscheinen, die wir begehren – und die uns begehren. Von Lukas Nowak
Teilnehmende Künstler
Nach Johann Wolfgang von Goethe (Autor/in)
Nina Bruns
Joyce Sanhá
Mariann Yar
Lucia Wunsch
Emilia Bongilaj
Coline Meret Lola Jud
Bendrik Grossterlinden
Felix Ruth
Lukas Nowak