Direkt zum Inhalt

Die Szenerie entfaltet sich langsam in den Bildern von Rebecca Harper – langsam und hermetisch, alles spielt sich wie auf einer Bühne vor den Augen der Betrachtenden ab. Die Räume, die Figuren, das Wasser – alles hat seinen Platz, doch nichts bleibt isoliert. Alles kreist, wie ein Himmelskörper, um das Zentrum.



Das Zentrum aller Darstellungen ist eine starke blonde Frau. Immer wieder sitzt sie in unterschiedlichen Momenten am Rand einer Wanne, am Rand eines Bettes, auf einer weichen Couch – allein, in ihrer Welt. Sie hält eine Robbe, die, wie alle anderen Objekte, eine Erweiterung der Frau selbst zu sein scheint. Eine Hand auf dem Fell, eine Flosse auf ihrem Schoß – eine Symbiose, vertraut und doch kindlich-weiblich, kein Mutter-Kind-Verhältnis, sondern ein Konzept von Kind und Frau.


Die Räume erzählen Geschichten – aber nicht laut, nicht fordernd. Objekte und Gegenstände sind aufgelistet: Bilder, Spiegelungen, offene Fenster. Wasser durchzieht alles – dunkle Flüsse, gefüllte Wannen, gemalte Meereslandschaften. Doch es ist kein Wasser, das verschlingt oder zieht – sondern Wasser, das trägt, das erinnert, das in Bewegung ist. Die Spiegel zeigen nicht nur die Frau, sondern auch den Raum um sie herum, eröffnen Perspektiven, machen sichtbar, was sonst übersehen würde.


Und überall finden sich Zeichen, kleine Dinge, die bleiben: die verschlossene Hutschachtel mit dem roten Vogel, als bewahre sie etwas, das nicht verloren gehen darf – oder das besser in der Schachtel bleibt, wissend aufbewahrt. Die Bücher, die niemand liest, doch sie sind da, als potenzielle Erzählungen. Die Landkarten an den Wänden, die Kompasse, die Segelboote – das Kind-Frau-Schema weist eine Richtung, trägt das Subjekt wie selbstverständlich mit dem Wind in die richtige Bahn.

Die Titel klingen zunächst wie Zeilen aus einem Gedicht – nicht bloß Beschreibungen, sondern Gedanken, die nachhallen. Blinking through Salt Lashes – ein Moment, in dem das Sehen schwerfällt, das Blinzeln durch Tränen oder Meerwasser, als sei die Welt für einen Augenblick verhüllt. Dann Disappear like a Snatched Breath on an Angry Tide – als würde etwas fortgerissen, ein Atemzug, den man nicht halten kann, ein Körper, der sich auflöst, nicht aus Schwäche, sondern weil die Strömung es so will. Andere Titel sind beinahe erzählerisch, lang, als wollten sie nicht nur benennen, sondern einen Rhythmus setzen.


Thick Skinned – Quick Finned, Always Turning Tides Tale spricht von Anpassung, von einer Haut, die schützt, von Beweglichkeit, von Flossen, die niemals stillstehen – ein Körper, der sich immer mit der Strömung dreht. Secret Eyes, Holding Mourning of the Darkest River ist ein Versprechen, ein Blick, der mehr sieht, der etwas bewahrt – eine Trauer, die nicht laut wird, sondern weiterfließt, in einem Fluss, der keine Ruhe kennt. Der Körper ist zentral, präsent, fest, aber niemals starr. Er sitzt, hält, stützt sich ab, bewegt sich in kleinen Momenten längerer Handlungen – in Pausen, in einem Blick nach oben, in einer kauernden Haltung. D

ie Körperhaltung ist offen, aber nicht zur Schau gestellt, kontrolliert, aber nicht erstarrt. Kleidung betont oder löst sich auf, Schnürungen fehlen, Stoffe hängen herab – als würde die Grenze zwischen Körper und Umgebung durchlässig. Das Wasser ist nah – in Badewannen, in Strömungen, in Gemälden – ein Element, das sich mit der Figur verbindet, aber sie nicht verschlingt.

Die Abwesenheit von Männern ist eine Lücke, eine spürbare Leerstelle, die sich durch die Räume zieht, durch die Haltung der Frau, durch die Objekte, die sich um sie sammeln. Sie sitzt, sie hält, sie bewegt sich – aber es gibt kein Gegenüber. Kein männlicher Körper, keine Hand, die greift oder sich entzieht, keine Gestalt, die sich in den Spiegeln zeigt. Diese Leerstelle ist nicht bloß eine Abwesenheit – sie ist strukturell, sie definiert die Räume, weil sie nicht gefüllt wird. Außer durch eine Andeutung: einen Schatten.

Stattdessen gibt es Fische. Sie sind die einzige Spur, die einzige Übersetzung eines abwesenden männlichen Prinzips. Sie liegen auf Tischen, schwimmen in Wannen, sind auf Fliesen gemalt – reglos oder in endloser Kreisbewegung, nicht handelnd, nicht sprechend. Der Fisch, klassisches phallisches Symbol, taucht auf, doch bleibt er Objekt – ohne Funktion, ohne Körper, das Relikt eines Gegenübers, das in dieser Welt nicht mehr agiert.

Die Vögel sind keine bloße Dekoration, keine sanften Begleiter des Lichts. Sie tauchen auf, schwebend, stürzend, kreisend – als schwarze Figur auf dem Kaminsims, als Möwe, die fast den Boden berührt. Sie folgen keinem klaren Muster, sie fügen sich nicht in die Symbolik der anderen Tiere. Die Robbe liegt, die Fische schweigen – doch die Vögel fliegen, manchmal zu nah, manchmal wie eine Warnung, manchmal als Echo von etwas, das sich ankündigt, ohne greifbar zu werden. Ihr Schwarz hebt sie von der Umgebung ab, als gehörten sie nicht in die Welt der Frau, sondern als dringe etwas von außen ein – ein Fremdkörper im Raum ihrer Reflexionen und Wasserflächen. Sie existieren jenseits der Wellen, jenseits der Wannen, außerhalb der Strömung – als etwas, das sich nicht einordnen lässt. Vielleicht sind sie das, was nicht gehalten werden kann, was sich entzieht – während die Frau bleibt.


Die Schachtel bleibt geschlossen, weil sie nicht geöffnet werden muss. Sie steht da, immer am selben Ort, mit dem roten Vogel auf dem Deckel – als Zeichen, als Möglichkeit, als Behälter für etwas, das nicht nach einem Ausbruch verlangt. Die Vögel außerhalb der Schachtel sind wild, unkontrolliert, eine Kraft, die sich nicht bändigen lässt. Doch dieser Vogel bleibt an die Oberfläche gebunden – eingefroren, gehalten, bewahrt oder verzaubert. Vielleicht ist die Schachtel eine versiegelte Bedrohung – eine Kraft, die nicht konkurrieren kann, die in der Dynamik von Halten und Gehaltenwerden keinen Platz hat. Vielleicht bleibt sie deshalb unberührt. Weil ihr Inhalt zu mächtig ist. Weil das, was verborgen liegt, nicht zugelassen werden kann.
Zusätzliche Informationen
Die Ausstellung kann in dieser Zeit von Montags bis Freitags von 12-18 Uhr besucht werden.

Informationen zur Barrierefreiheit

Barrierefrei
Teilnehmende Künstler
Rebecca Harper
Termine
März 2025
MoDiMiDoFrSaSo
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31