Direkt zum Inhalt
Garbaty-Zigarettenfabrik in der Berliner Straße in Pankow
ehemalige Garbaty Zigarettenfabrik, Berlin Pankow © visitBerlin, Foto: Wolfgang Scholvien

Zigarettenfabrik Garbáty

Handgerollt aus Pankow

Die Königin von Saba aus Pankow: Vor 120 Jahren produziert Josef Garbáty diese Zigarettenmarke unter hochmodernen Bedingungen.

Berlin ist um die Jahrhundertwende das Zentrum der deutschen Zigarettenindustrie. 1881 gründet Josef Garbáty-Rosenthal, Sohn des jüdischen Immigranten Max Rosenthal, sein Zigarettenunternehmen in der Linienstraße in Berlin-Mitte. Er und seine Frau Rosa Rahel Rosenthal produzieren als Erste in Berlin Zigaretten „ägyptischer Art“, was unseren heutigen Zigaretten entspricht.

Garbátys Zigarettenmarken 'Königin von Saba, Garbáty Kalif' und 'Kurmark' sind so erfolgreich, dass die Geschäftsräume bald nicht mehr ausreichen. Sowohl der Absatz als auch die Zahl der Beschäftigten wachsen rasant. Denn Garbátys Zigaretten sind nicht nur in den damaligen deutschen Kolonien, in Asien und Amerika äußerst beliebt, sondern auch bei der italienischen Staatsregierung.

Garbáty verlegt und erweitert den Herstellungsbetrieb an der Schönhauser Allee zwischen 1890 und 1900 mehrfach. Ab 1906 lässt er auf einem unbebauten Grundstück im damals noch unabhängigen Pankow Fabrikanlagen bauen. Sie befinden sich an der Hadlichstraße und Berliner Straße und sind mit der Straßenbahn an die Hauptstadt angebunden.

Garbaty-Zigarettenfabrik in der Berliner Straße in Pankow
Garbaty-Zigarettenfabrik in der Berliner Straße in Pankow © visitBerlin, Foto: Wolfgang Scholvien

Zwischen Historismus und Moderne

Der Pankower Architekt Paul Ueberholz errichtet auf dem Gelände ein Gebäude mit U-förmigem Grundriss zur Hadlichstraße. Der neoklassizistische Eingangsbau ist mit einer hellen Fassade verblendet, das Hauptgebäude auf der Rückseite besteht hingegen aus rotbraunen Ziegeln und besitzt Dekorationselemente des Jugendstils.
Sieben Jahre später, 1913, baut Ueberholz eine weitere, zur Berliner Straße ausgerichtete Fabrik, sodass ein fast quadratischer Innenhof entsteht. Die Schauseite zur Straße verkleidet der Architekt mit einer monumentalen Fassade.

Die Fabrikanlage ist hinsichtlich der Zigarettenproduktion hochmodern und auch die Arbeitsbedingungen sind exzellent, wie die „Tabakwirtschaftliche Rundschau“ vom 20. Februar 1921 berichtet:

„In Bezug auf Ordnung, Sauberkeit, hygienische Anlagen, Arbeiterschutzvorrichtungen und sonstige betriebstechnische Einrichtungen ist der Gesamtbetrieb großzügig und mustergültig gestaltet.“

Konkret bedeutet das neben einer Betriebskantine im Dachgeschoss, zahlreichen Garderoben- und Pausenräumen eine ganze Badeanstalt mit mehreren Wannen- und Brausebädern im südlichen Giebel des Hauptgebäudes. Im Quergebäude befindet sich die hauseigene Bibliothek, es gibt einen Betriebschor, eine Betriebszeitung und seit 1931 den Garbàty-Sportclub.

Nach der Übergabe der Fabrik an die Söhne Eugen und Moritz 1929, errichtet der Hamburger Baumeister Fritz Höger 1930/31 an der östlichen Seite einen fünf-geschossigen Erweiterungsbau. Dieser schließt an der Rückseite auf der ganzen Länge an den Altbau an. Obwohl Höger als einer der wichtigsten Vertreter des norddeutschen Backsteinexpressionismus gilt, gestaltet er das 56 Meter lange und neun Meter tiefe Lagergebäude in einer „bei ihm selten anzutreffenden Modernität und konstruktiven Sachlichkeit“.

Anders als beim Vorgängerbau aus Mauerwerk errichtet Höger einen Stahlskelettbau. Die Stützen stehen vertikal vor der eigentlichen Außenwand, was der Architekt nicht nur durch den Abstand zum vorspringenden Flachdach betont, sondern auch durch Klinkerbausteine, die die Pfeiler deutlich von der Wand abheben. Um eine optische Nähe zum Altbau mit seiner hellen Fassade herzustellen, verkleidet er die Fassade des Neubaus ebenfalls mit hellen, mattglasierten Klinkern.

Zwangsverkauf und Emigration

1938 muss die jüdische Familie Garbáty dem Zwangsverkauf an die Jacob-Koerfer-Gruppe aus Köln zustimmen. Die Söhne emigrieren zunächst nach Frankreich, bevor sie 1939 in die USA flüchten. Josef Garbáty Rosenthal stirbt im Juni 1939 und wird auf dem jüdischen Friedhof in Weißensee begraben.

Während des Zweiten Weltkriegs bleibt die Fabrikanlage weitgehend unbeschädigt, brennt aber am 1. Mai 1945 nach einer Plünderung aus. Die Produktion der berühmten Zigarettenmarke Saba geht auch in der DDR an Ort und Stelle weiter. Nach der deutschen Wiedervereinigung scheitert aber 1995 ein letzter Versuch, Zigaretten in Pankow herzustellen, und das Werk schließt endgültig.

Bis 2010 bleibt das Gelände ungenutzt. Heute bietet es nach einer Kernsanierung in den Jahren 2011/12 gehobenen Wohnungsbau im Denkmal.

Unsere Tipps rund um die Zigarettenfabrik Garbáty

Noch mehr Bauten der Berliner Moderne finden Sie in der nahe gelegenen Wohnsiedlung Niederschönhausen in der Grabbeallee. Sie entsteht 1908/09 nach Plänen des Architekten Paul Mebes und stellt ein schönes Beispiel früher Modernisierungsformen im Berliner Siedlungsbau dar. Nehmen Sie die Tram M1 von dem S- und U-Bahnhof Pankow bis zur Haltestelle Bürgerpark Pankow.

Praktische Infos von visitBerlin

Die Zigarettenfabrik Garbáty erreichen Sie mit den S-Bahn-Linien 1, 2, 8 oder 85 und der U-Bahn-Linie 2 bis zur Haltestelle Pankow. Um die Stadt zu erkunden, empfehlen wir für den öffentlichen Nahverkehr die Berlin Welcome Card.