Direkt zum Inhalt
Kiezkampagne 2024
© visitBerlin

Peter-Behrens-Bau

Geschichte der Automobilproduktion in Berlin

Der Behrensbau der Nationalen Automobil-Gesellschaft gilt als „Monument der modernen Berliner Industriekultur“.

Aktuell ist das Gebäude geschlossen, es können jedoch Führungen über den Industriesalon Schöneweide gebucht werden.

Denn in den nächsten Jahren wird das gesamte Gelände in Oberschöneweide in ein nachhaltiges und lebenswertes Zukunftsquartier mit einer Mischung aus Gewerbe, Wohnraum, Bildungs- und Kulturangeboten umgestaltet. Dabei soll gleichzeitig denkmalgeschützter Bestand erhalten und Raum für Neues geschaffen werden. Auch neue öffentliche Plätze und eine durchgehende Uferpromenade sind geplant. Das Gelände wird während des gesamten Transformationsprozesses zugänglich bleiben. Erleben Sie vor Ort, wie aus einem ehemaligen Industriegelände ein innovativer Standort entsteht, bei dem der Mensch im Mittelpunkt steht.

In unserem visitBerlin Podcast Berlin Unboxed nehmen wir Sie mit vor Ort nach Schöneweide. Wir sprechen über die dunklen, aber auch die guten Seiten der Geschichte, besuchen Frau Dr. Glauning, Leiterin des Dokumentationszentrums NS-Zwangsarbeit und gehen mit Zukunftsforscher Klaus Burmeister auf Entdeckungstour und besuchen auf einen Spaziergang durch Oberschöneweide

Beschreibung

Das Video gehört zur Folge „Zwei Seiten Schöneweide“ vom Podcast Berlin Unboxed, den visitBerlin betreibt. Der Podcast erzählt über die Vergangenheit und Zukunft von Ober- und Niederschöneweide in Berlin. In dem Video ist ein Standbild mit Blick über die vereiste Spree auf ein industrielles Gebäude in Oberschöneweide zu sehen, außerdem das visitBerlin Logo im linken unterem Eck. Die Untertitel des Videos können im YouTube Player unter Einstellungen an- und ausgeschaltet werden. Für eine Transkription sollte das Video direkt auf YouTube angeschaut werden.

Historisches Gründerzentrum

Ende des 19. Jahrhunderts entsteht in Oberschöneweide ein bedeutendes Gründerzentrum der Berliner Elektroindustrie: Federführend war dabei der aufstrebende Weltkonzern AEG. Dessen Gründer und Direktor, der Industrielle Emil Rathenau, war schon um die Jahrhundertwende von der zukünftigen Bedeutung des Automobils überzeugt. Unter seiner Leitung wurde im Jahr 1901 die Neue Automobil-Gesellschaft AG (NAG) geschaffen.

Die Bandbreite der neuen Automobilproduktion reichte von der Staatskarosse für den Zaren  über Sport- und Luxuswagen, erste Lastkraftwagen und den legendären Berliner Doppeldeckern bis hin zu leistungsstarken Elektrofahrzeugen.
Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs stellte das Unternehmen nicht mehr zivile Nutzfahrzeuge her, sondern kriegswichtige Güter wie Militärtransporter und Flugzeuge. Aus Patriotismus wurde das Unternehmen ab 1915 umbenannt in Nationale Automobil-Gesellschaft.

Ein neuer Bau von Peter Behrens

Während des Krieges stieg die Produktion weiter an, sodass die AEG den Bau einer neuen Fabrik beschloss. Den Auftrag erhielt der Architekt Peter Behrens, der seit 1907 künstlerischer Berater der AEG war. Mit der Aufnahme seiner Tätigkeit für die AEG folgte er seiner Maxime von der „künstlerischen Durchdringung aller Lebensbereiche“, wozu für ihn auch der Industriebau zählte.

Der monumentale Gebäudekomplex wurde im 1. Weltkrieg 1917 fertiggestellt - nach nur zwei Jahren Bauzeit, obwohl Materialien, Transportmittel und Arbeitskräfte schwer zu bekommen waren. Von den etwa 1.000 Bauarbeitern waren etwa die Hälfte Frauen.
Mit der modernen Stockwerksfabrik setzte Peter Behrens Maßstäbe: In diese Fabrik sollte sie aufgehoben sein, die Trennung von Produktion, Verwaltung, Kunst und öffentlichem Leben. Eine neue Einheit sollte realisiert werden: Funktion und Ästhetik sollten sich verbinden zu einer neuen Form. Mit diesem Gebäude gelang ihm ein Sinnbild für den Traum einer sozialen Integration aller Akteure der modernen Industriegesellschaft.

Walter Gropius, der zu den bekannten Schülern von Peter Behrens zählt, wurde von dessen Zielen deutlich beeinflusst:

„Der Arbeit müssen Paläste errichtet werden, die dem Fabrikarbeiter, dem Sklaven der modernen Industriearbeit, nicht nur Licht, Luft und Reinlichkeit geben, sondern ihn noch etwas spüren lassen von der Würde der gemeinsamen großen Idee, die das ganze treibt.“ (Walter Gropius, 1917)

Peter-Behrens-Bau - Automobilfabrik der Nationalen Automobil-Gesellschaft
© Landesdenkmalamt Berlin, Foto: Wolfgang Bittner

Äußere Anmutung

Für das Gebäude der Nationalen Automobil-Gesellschaft, heute als Peter-Behrens-Bau bekannt, schuf der Architekt eine harmonische Gesamtanlage, die alle Bedürfnisse der damaligen Automobilproduktion in einem monumentalen Gebäude vereinte.
In der Stockwerksfabrik wurden die Automobile in übereinanderliegenden Etagen produziert – im obersten Stockwerk begann der Karosseriebau, unten angekommen war das Automobil fertig. Die Produktionsräume wurden durch wuchtige Treppentürme erschlossen, die der Hofseite vorgelagert sind. Von den 18 Fahrstühlen verfügten vier über eine Traglast von 6.000kg, sie konnten schwere Lastzüge bis zum Dach heben.
Auch die Verwaltung war in dem fünfgeschossigen Gebäude untergebracht, das sich wie ein Hufeisen um die Hallen im Innern legt. Dort befanden sich einst die Serviceabteilungen mit den Ersatzteillagern.

Das höchste Gebäude Deutschlands

Mit dem hohen Turm prägt das mächtige Bauwerk das Ortsbild bis heute. Es öffnet sich bewusst zum Stadtraum und bezieht die Nachbarschaft mit ein. Bei der Eröffnung 1917 war der Turm kurzzeitig das höchste Gebäude Deutschlands.
 
Teil der modernen Gebäudetechnik war die autonome Wasserversorgung. Aus einem Tiefbohrbrunnen wurde das Wasser durch verschiedene Filteranlagen gepumpt bis in die eisernen Behälter hoch oben auf dem Turm. So war für die Wasserversorgung im gesamten Werk gesorgt – und aus jedem Wasserhahn floss Frischwasser in Trinkqualität.

Bei der Fassadengestaltung verwendete Behrens wie schon bei der AEG-Turbinenhalle in Moabit klassische Architekturelemente: Die breiten Pfeiler zwischen den Fenstern wirken wie Pilaster, flach aus der Wand tretende Halbsäulen. Das fünfte Stockwerk ist als Halbgeschoss angelegt, ein Stilmittel, das bis in die Renaissance zurückreicht. Die klaren Formen und die Gliederung durch den Wasserturm lockern die Fassade auf.

Peter-Behrens-Bau in Berlin - Automobilfabrik der Nationalen Automobil-Gesellschaft
Peter-Behrens-Bau, Eingangshalle © Landesdenkmalamt Berlin, Foto: Wolfgang Bittner

Umbautes Licht

Durch ein großes, bogenförmiges Tor gelangen Besucher in eine Eingangshalle, die nicht nur eine Verteilerfunktion für die Fußgänger hatte. Die profane Bestimmung als Treppenhaus verschwindet zugunsten eines feierlichen Raumgefühls. Unmittelbar konfrontiert das Lichterlebnis“ den Eintretenden mit Größe und Bedeutung.
Noch heute spürt man unwillkürlich den "besonderen Geist" dieses Lichthofes, der über vier Geschosse aufragt und von einer hohen Tageslichtdecke beleuchtet wird. Das feierliche Raumgefühl verdeutlicht das Statement des Architekten: Peter Behrens ging es um eine neue Verbindung der Industriefertigung mit der Formensprache der klassischen Kultur. Die Arkaden und Bögen erinnern an ein Theater der italienischen Renaissance dessen Formen jedoch vereinfacht und damit monumentaler werden.  

Die Automobilproduktion der NAG wurde 1934 eingestellt. Telefunken zog ein und entwickelte hier erste Fernsehtechnik zur Übertragung der Olympischen Spiele von 1936. Nach dem 2. Weltkrieg entwickelte sich unter russischer Leitung das Oberspreewerk, Vorreiter vom späteren Werk für Fernsehelektronik, das bis 1989 mit etwa 9.000 Mitarbeitern das größte Werk Ostberlins war.

Nach der Wiedervereinigung übernahm die Firma Samsung das Gebäude und produzierte bis 2005 in einem neuen Gebäudeteil Farbbildröhren für den europäischen Markt. Seit 2010 gehört es einer Immobiliengesellschaft, die Räume an mittelständische Unternehmen vermietet und eine neue Nutzung u.a. als Hochschulstandort anstrebt.

Führungen

Fachkundige Führungen durch das Gebäude bietet der Industriesalon Schöneweide an. Darin enthalten ist auch der Aufstieg auf den Behrens-Turm mit Panorama-Terrasse und einem phantastischen Ausblick über fast ganz Berlin. Mehr Infos erhalten Sie auf der Website des Industriesalons unten.

Unsere Tipps rund um den Behrensbau

In der Nähe der Nationalen Automobil-Gesellschaft finden Sie ein weiteres Industriedenkmal der AEG: In der Wilhelminenhofstraße 76 steht das zwischen 1897 und 1914 erbaute Kabelwerk Oberspree. Es ist eng mit der bedeutenden Geschichte der Berliner Elektroindustrie verknüpft.

Empfehlenswert ist der nahegelegene Volkspark Wuhlheide. Der 1920 angelegte „Waldpark“ lädt zu ausgiebigen Spaziergängen. Hier steht auch das Freizeit- und Erholungszentrum FEZ. Eröffnet 1979 als „Pionierpalast Ernst Thälmann“, ist es heute Europas größtes Kinder-Jugend- und Familienzentrum mit vielfältigen Sport- und Spielmöglichkeiten.

Anreise 

Zum Behrensbau gelangen Sie mit den Tram-Linien 27, 60, 61, 67 (Haltestelle Rathenaustraße/HTW). Um die Stadt zu erkunden, empfehlen wir für den öffentlichen Nahverkehr die Berlin Welcome Card.