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Kabelwerk Oberspree
© visitBerlin, Foto: Steve Simon

Kabelwerk Oberspree KWO

Monument deutscher Industriegeschichte

Siemens zieht nach Siemensstadt, die AEG nach Oberschöneweide: Die boomende Berliner Industrie braucht Ende des 19. Jahrhunderts mehr Platz.

Die Berliner Fabriken stoßen in der dicht besiedelten Innenstadt seit 1890 an ihre Grenzen. Emil Rathenau, Gründer und Generaldirektor der AEG, wählt 1895 Oberschöneweide als neuen Standort für seinen Elektrokonzern. Dort gibt es ein freies Gelände mit Spreezugang und Eisenbahnanschluss – gute Bedingungen für den Bau einer Kabelfabrik.

Ab 1897 entsteht in Oberschöneweide mit dem Kabelwerk Oberspree die modernste Fabrikanlage Europas. Ohne eine einzige Dampfmaschine, stattdessen treiben Elektromotoren die Produktion an. Die Energie kommt aus dem benachbarten Kraftwerk Oberspree, das die AEG 1897 als erstes europäisches Drehstromkraftwerk in Betrieb nimmt.

Moderne Produktion im historistischen Gewand

Bis 1912 errichten Paul Tropp und Wilhelm Osmar Klemm, die Architekten der AEG-Bauabteilung, an der Oberspree zahlreiche Fabriken und ein Verwaltungsgebäude. Dem Zeitgeschmack entsprechend legen die Architekten die Funktion ihre Bauten nicht offen, sondern verdecken sie durch historistische Fassaden. Das Kabelwerk Oberspree erscheint als gelbes Backsteinensemble im Stil der Neogotik und Neorenaissance.
Eine Ausnahme ist die Direktorenvilla, die der Architekt Johannes Kraaz 1901/02 auf dem Firmengelände errichtet. Auch Kraaz wählt den Stil der Neorenaissance. Aber mit ihrer weitgehend verputzten Fassade und der stark gegliederten Dachform soll sich die Villa erkennbar von den Industriebauten unterscheiden.

Die einzelnen Fabrikgebäude sind nicht auf spezifische Produktionsfelder zugeschnitten, sondern lassen Spielraum für vielfältige Nutzungen. So kann die AEG flexibel auf Änderungen des Marktes reagieren. Tatsächlich produziert das Kabelwerk von Beginn an weit mehr als nur Kabel: Es verarbeitet Metall, Gummi und andere Rohstoffe, hinzu kommt eines der größten Kupferwalzwerke Deutschlands. Seit 1901 stellt die AEG in Oberschöneweide Automobile und Lastkraftwagen her.

Eine künftige Erweiterung haben die Firmenarchitekten Tropp und Klemm ebenfalls mitbedacht. Sie entwerfen Treppenhäuser und Zufahrtswege, die viel größer sind als anfangs benötigt.

 

Expansion im Zeichen der Moderne

1913 kauft die AEG das Gelände östlich des Kabelwerks hinzu. In den nächsten Jahren entsteht hier ein neuer Bauabschnitt, denn die Firma profitiert vom Ersten Weltkrieg. 24.000 Arbeitskräfte produzieren Ausrüstung und Munition für die deutschen Streitkräfte. Peter Behrens, seit der Turbinenhalle Hausarchitekt der AEG und Erfinder ihres Corporate Designs, baut hier allein vier neue Fabrikhallen.

Behrens‘ Hallenbauten sind ein Übergang zur Architektur der Moderne. Backsteinfassaden verkleiden die Stahlskelettkonstruktionen, doch Fassade und Giebel folgen dem Verlauf der Stahlstützen und Stahlbinder. Zum Teil legen sie damit die Funktion der Bauten offen. Der Hallenblock IV, das ehemalige Presswerk und Stanzwerk, ist heute noch erhalten.

In den 1920er Jahren baut die AEG das Kabelwerk weiter aus. Besonders erwähnenswert ist die Fernmeldefabrik von Ernst Ziesel. Damals existieren schon etliche Fabrikhallen in Stahlskelettbauweise, doch Ziesel nutzt hier als einer der ersten in Deutschland diese Technik für einen Stockwerkbau.
Weil das Unternehmen für das Kabelwerk Oberspree keine weiteren Flächen hinzukaufen kann, wachsen die Fabrikbauten in die Höhe. Aber es kommen nicht nur neue Etagen hinzu: Die AEG verbindet die Fabriken durch Transportbrücken und elektrische Aufzüge zu einer fließenden Produktionslinie.

Ende der 1920er Jahre ist der Ausbau des Kabelwerks Oberspree abgeschlossen. Über 30 Jahre lang hat die AEG mit immer neuen Materialien und Methoden ihre Anlage erweitert – und dabei mit dem gelben Backstein eine einheitliche Architektursprache beibehalten.

Das Erbe der Industriemoderne

Im Zweiten Weltkrieg zerstören Bomben Teile des Kabelwerks. Das Gros der Anlage bleibt erhalten, seit 1952 als Volkseigener Betrieb (VEB) in der DDR. Nach der deutschen Wiedervereinigung versuchen die neuen Eigentümer, auf dem Markt zu bestehen – vergeblich. 1995 wird das Kabelwerk Oberspree geschlossen.
Danach erfolgt eine umfassende Sanierung. Das Kabelwerk steht heute als eines der bedeutendsten Ensembles der deutschen Industriegeschichte unter Denkmalschutz. In einem kleinen Teil der Anlage werden weiterhin Kabel produziert. Den größten Teil des historischen Standorts nimmt mittlerweile der Campus Wilhelminenhof der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW) ein.

Industriesalon Schöneweide

In der ehemaligen Vorwerkstatt des Transformatorenwerkes befindet sich heute der Industriesalon Schöneweide. Der gemeinnützige Verein bewahrt die besondere Technik und Geschichte des Industriestandortes fördert Begegnungen und Dialoge. Eine Dauerausstellung zeigt den Wandel von der Gründerzeit bis heute.
Führungen über das Gelände sind nach telefonischer Anmeldung möglich: Tel. 030 53603059    

 

Unsere Tipps rund um das Kabelwerk Oberspree

Eine weitere Sehenswürdigkeit der Berliner Industriemoderne liegt nur wenige Schritte entfernt: die Nationale Automobil-Gesellschaft, der sogenannte Peter-Behrens-Bau. Oder Sie fahren mit der Tram 27 bis zur Haltestelle Nixenstraße und spazieren von dort zum Pionierpalast Ernst Thälmann. Das einstige Gebäude der DDR-Jugendorganisation ist heute das Freizeit- und Erholungszentrum FEZ.

Weiterführende Informationen zur Industriekultur finden Sie auf auf den Seiten des Berliner Zentrum für Industriekultur.

Praktische Infos von visitBerlin

Das Kabelwerk Oberspree erreichen Sie mit den Tram-Linien 27, 60, 61 oder 67 bis zur Haltestelle Rathenaustraße/HTW (Berlin). Um die Stadt zu erkunden, empfehlen wir für den öffentlichen Nahverkehr die Berlin Welcome Card.