Berlin pulsiert, auch jetzt – nur momentan eher hinter verschlossenen Türen. Wie in kaum einer anderen Stadt werden hier Werte wie Freiheit und Unabhängigkeit gelebt und immer wieder neue Freiräume geschaffen. Wir alle kennen die Kontroversen, die daraus entstehen, aber auch das Feuerwerk an Kreativität. Berlin pulsiert, jetzt genauso wie vor hunderten von Jahren. Wir haben für euch einen Blick auf die vergangenen 600 Jahre Geschichte geworfen und dabei viele heitere und starke Geschichten entdeckt, die unverwechselbar sind für Berlin, für Berlinerinnen und Berliner. Mit Mut und Humor hat es Berlin schon durch so manche Krise geschafft. Lasst euch inspirieren und ein bisschen stärken.
Stilikone, Freiheitskämpferin und Berlinerin durch und durch
Männer umkreisten sie wie die Motten das Licht und als blauer Engel verführte sie mit rauchiger Stimme nicht nur Professor Unrat, sondern sang sich auch in die Herzen aller, die während der Zeit des Nazi-Regimes für Freiheit kämpften. Die Rede ist von Marlene Dietrich: Stilikone, Freiheitskämpferin und Berlinerin durch und durch. Dabei ist die Dietrich trotz allem Erfolg auch immer Mensch geblieben, im Bild oben telefoniert sie übrigens mit ihrer kleinen Tochter.
Geboren wird Marlene kurz nach dem Weihnachtsfest 1901 in Schöneberg. Damals regiert in Deutschland ein Kaiser, die Polizisten tragen Pickelhaube, die besseren Damen der Gesellschaft Hüte wie Wagenräder. Dazwischen die kleinen Schöneberger Göre mit der Skischanzen-Nase. Wer hätte gedacht, dass sie einmal meistfotografierte Frau der Welt werden würde?
Als Schauspielerin wird die Dietrich weltberühmt
Und nicht nur das: Als Schauspielerin wird die Dietrich weltberühmt; der letzte Hollywood-Star. Sie ist der Inbegriff einer Stil-Ikone, dreht in mehr als 20 Jahren über 50 Filme. Ihren Durchbruch schafft sie als Lola in Josef Sternbergs „Der blaue Engel“ nach Heinrich Manns Roman „Professor Unrat“. Unter Sternberg wird sie eine unnahbare Göttin im Film-Olymp – später, in „Der große Bluff“, eine schlagfertiger Salonsängerin mit starken Fäusten und rauchiger Stimme.
Kämpferin gegen die Nazis
Obwohl der deutsche Propagandaminister Joseph Goebbels ihr 1936 hohe Gagen sowie freie Wahl bei Drehbuch und Mitarbeitern anbietet, arbeitet sie lieber in den USA mit Regisseuren wie, Hitchcock, Lubitsch, Welles und Wilder. Trotz ihrer enormen Berühmtheit, oder gerade deswegen, wird sie eine Kämpferin gegen die Nazis.
Schon 1939 geht sie nach Paris und unterstützt von dort aus Flüchtlinge und emigrierende Künstler. Kurze Zeit später wird sie US-Amerikanerin und legt ihre deutsche Staatsbürgerschaft ab. Als die USA 1941 in den Krieg gegen Deutschland eintreten, geht sie sofort als Truppenbetreuerin zu den Soldaten und ist mit den GI's in Afrika und Europa unterwegs. Bei der Ardennenoffensive entgeht sie nur knapp einer Gefangennahme. Sie ist an vorderster Front dabei, als die Amerikaner die deutsche Grenze überschreiten und Süddeutschland befreien. 1947 erhält die Dietrich die „Medal of Freedom“, den höchsten Orden der USA für Zivilisten. 1950 verleiht ihr die französische Regierung den Titel eines „Ritters der Ehrenlegion“.
Klarer Blick für Gut und Böse
Andere Stars des Deutschen Films sind in den Jahren bis 1945 fest in die Nazipropaganda eingebunden, wie Gustaf Gründgens, Hans Albers, Heinz Rühmann, Zarah Leander oder Johannes Heesters. Während diese nach 1945 beim deutschen Publikum weiterhin beliebt und im Film gut beschäftigt sind, wird Marlene Dietrich in Deutschland als „Vaterlandsverräterin“ gebrandmarkt.
Tatsächlich bleibt sie trotz US-Staatsbürgerschaft und Flucht ins Exil eine waschechte Berlinerin mit Herz und Schnauze und – noch wichtiger – ein Mensch, der seinem klaren Blick für Gut und Böse trotz widrigster Umstände nicht untreu wird. 1992 stirbt Marlene Dietrich in Paris.
Marlene Dietrich: Berlin erinnert sich
Marlene Dietrich erlebt in rund 90 Jahren das deutsche Kaiserreich, die Weimarer Republik, zwei Deutsche Staaten und die Wiedervereinigung. Am Ende wünscht sie sich ihr Grab neben dem ihrer Mutter in Berlin-Schöneberg auf dem III. Städtischen Friedhof in der Stubenrauchstraße. Auf dem Weg zum Friedhof säumen 1992 tausende Berliner die Straßen, sie werfen Blumen von den Balkonen am Wegrand auf den Sarg oder tragen Koffer ans Grab („Ich hab noch einen Koffer in Berlin“). Marlene, wie die Berliner sie nun liebevoll nennen, ist wieder Zuhause.
Der zentrale Platz auf dem Areal des neugebauten Potsdamer Platzes wird in den 1990er Jahren nach ihr benannt. Die Widmung lautet: „Berliner Weltstar des Films und des Chansons. Einsatz für Freiheit und Demokratie, für Berlin und Deutschland“. Posthum im Jahre 2001 entschuldigte sich das Land Berlin offiziell für die Anfeindungen gegen sie und 2002 wird sie Ehrenbürgerin der Stadt.
Besucht auch:
- Marlene Dietrich fand ihre letzte Ruhe am städtischer Friedhof in der Stubenrauchstraße, hier liegt sie in der Abt. 34-363.
- Die Gedenktafel findet ihr an Marlenes Geburtshaus in Schöneberg in der Leberstraße 65.
- Den Marlene-Dietrich-Platz findet ihr in der Nähe des Potsdamer Platzes.
- Ein Wandbild oder Mural von Marlene Dietrich seht ihr am Gebäude Leberstraße 17, Schöneberg.
- Die dritte Folge der sechsteiligen Podcastserie von Volker Heise "Herbst 1929 - Schatten über Babylon" dreht sich um Marlene Dietrich. Hört rein!
- Deutsche Kinemathek: Die Sammlung zeigt tausende von Fotografien, Korrespondenz sowie original Kostüme und auch Stücke aus der privaten Garderobe der Stilikone.
- In der Online-Führung "Die falschen Spuren von Marlene Dietrich?" gibt euch aktuell Silke Ronneburg, Leiterin der Marlene Dietrich Collection Berlin, einen Einblick in Marlene Dietrichs Bemühen um ihr Bild in der Öffentlichkeit.
- Vom 17. bis 19. September laden euch das Wintergarten Varieté und Ute Lemper zu einem "Rendezvous mit Marlene".