Schloss Bellevue in Berlin
Der bescheidene Herrschersitz in Berlin-Tiergarten
Von Theodor Heuss bis Frank-Walter Steinmeier – hier haben sie alle zu ihrer Amtszeit residiert. Denn Schloss Bellevue ist der Sitz des deutschen Bundespräsidenten.
Über die Architektur des Schlosses streiten sich Kunsthistoriker. Ist es noch Barock oder schon Klassizismus? Heute wird die Baukunst der Dreiflügelanlage mit zwei Etagen dem frühklassizistischen Stil zugeordnet. Ein Kompromiss also. Klare Linien ohne viele Schnörkel – die typischen Merkmale eines Herrschersitzes, und dennoch ist das Gebäude dafür eher untypisch. Aber bilden Sie sich selbst eine Meinung und kommen Sie zur Besichtigung.
Prinzenresidenz und Prominente
Das Schloss Bellevue wird 1785 vom preußischen Prinzen August Ferdinand in Auftrag gegeben. Das weiße Gebäude im nördlichen Teil des Berliner Tiergartens wird schließlich zwei Jahre später fertiggestellt. Damals gibt es neben dem Hauptgebäude nur einen Seitenflügel. Das Anwesen dient dem jüngsten Bruder Friedrich des Großen als Wohnsitz und ist nicht für repräsentative Zwecke vorgesehen. Die Anlage zeichnet sich durch Schlichtheit aus, brilliert aber mit einem der schönsten Landschaftsgärten damaliger Zeit. Auf der Gästeliste stehen berühmte Persönlichkeiten: Der deutsche Dichter und Dramatiker Friedrich von Schiller sowie der französische Herrscher Napoleon Bonaparte besuchen den Prinzen in seinem ‚Wohnschloss‘.
Vorgänger der Nationalgalerie
Einige Jahrzehnte und preußische Herrscher später wird das Schloss zum modernen Kunstmuseum umfunktioniert. Unter dem Namen Vaterländische Galerie werden ab 1844 in den Räumlichkeiten des Erdgeschosses zeitgenössische preußische Werke ausgestellt. Der König Friedrich-Wilhelm IV. gestattet dem Volk den Zutritt in seinen Schlosspark. Nach 21 Jahren ziehen die Kunstwerke wieder aus und das Schloss wird vom preußischen Hofstaat (Hofgärtnern, Hofdamenjungfern, Köchinnen, Reitknechten, Kammerdienern, Leibjägern und Sattelmeistern) genutzt.
Das Schloss übersteht den Ersten Weltkrieg unbeschadet und geht an die Reichsregierung über. Fortan dient es als Gästehaus und somit das erste Mal für repräsentative Zwecke. Den Zweiten Weltkrieg übersteht das Anwesen nicht so glimpflich. Bis auf wenige Außenmauern liegt das restliche Schloss in Trümmern.
Vom Weißen Haus zurück nach Berlin
Von 1955 bis 1959 wird das Schloss im Tiergarten innen und außen restauriert. In dieser Zeit erklärt der Deutsche Bundestag das Anwesen zum zweiten Amts- und Wohnsitz des Bundespräsidenten. Bis dahin residiert dieser ausschließlich in der Bonner Villa Hammerschmidt. Als etwas verspätete Antwort auf die Wiedervereinigung zieht es die Bundespräsidenten ab 1994 in die neue Hauptstadt der Bundesrepublik.
Richard von Weizsäcker ‚tauscht‘ die Reihenfolge der Amts-/Wohnsitze. Seitdem ist das Schloss Bellevue in Berlin primärer Aufenthaltsort und „das Weiße Haus von Bonn“ auf Platz 2 der Liste des Bundespräsidenten. So schön und groß ein Schloss auch sein mag – die meisten Bundespräsidenten ziehen es vor, nicht privat in Bellevue mit Blick auf die Spree einzuziehen. Das Schloss wird für Neujahrsempfänge, Staats- und Antrittsbesuche genutzt. Alle Bürger können sich einmal im Jahr, zur Besichtigung am Tag der offenen Tür, wie Prinzen und Prinzessinnen, Könige und Königinnen oder Bundespräsidenten und -präsidentinnen fühlen.
Die Standarte, die Flagge vor dem Schloss Bellevue, wird eingeholt, wenn der Bundespräsident sich in seinem Bonner Amtssitz aufhält oder er sich auf einer Dienstreise im Ausland befindet, beziehungsweise in einem Gästehaus der Bundesländer verweilt.